Martha oder Der Markt zu Richmond – München, Gärtnerplatztheater

von Friedrich von Flotow, romantisch-komische Oper in vier Akten, Libretto: Wilhelm Friedrich, UA: 25. November 1847, Kärntnertortheater Wien, Premiere: 1986 in Stuttgart, Übernahme-Premiere: 1997 am Gärterplatztheater München, Neueinstudierung: 2017

Regie: Loriot, Bühne/Kostüme: Loriot

Dirigent: Andreas Kowalewitz, Orchester, Chor und Extrachor des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Choreinstudierung: Felix Meybier

Solisten: Jennifer O’Loughlin (Lady Harriet Durham), Ann-Katharin Naidu (Nancy), Martin Hausberg (Lord Tristan Mickleford), Alexandros Tsilogiannis (Lyonel), Christoph Seidl (Plumkett), Markus Wandl (Richter von Mickleford), u.a.

Besuchte Aufführung: 17. Januar 2019

Kurzinhalt

Dienerin Nancy und Lady Harriet haben Langeweile und beschließen, sich zu verkleiden und sich als Mägde zu verdingen: Auf dem Markt ruft der Richter Mägde auf, ihre Fähigkeiten anzupreisen. Harriet gibt sich als Martha aus und Nancy nennt sich Julia. Sie verdingen sich im Spaß an die Pächter Lyonel und Plumkett. Doch aus dem Spaß wird Ernst: Sie haben das Handgeld angenommen, sie sind für ein Jahr unwiderruflich gebunden! Beide landen auf dem Hof der Pächter, verweigern jedoch die Arbeit, was zum Streit führt. Mit Hilfe von Lord Tristan können beide fliehen. In einer Waldschänke treffen die vier aufeinander, die Damen als Teil einer königlichen Jagdgesellschaft. Lyonel bezeichnet Harriet als Magd, Harriet läßt Lyonel verhaften. Plumkett kann ihn mittels eines Rings, der Lyonel als Grafensohn ausweist, wieder freibekommen. Nach einer Scharade – der Mägdemarkt wird nachgestellt – finden die beiden Paare zueinander.

Aufführung

Die Handlungsorte sind dank gemalter Hintergrundprospekte schnell gewechselt: Lady Harriet langweilt sich zunächst auf einer Bank in der Orangerie, der Markt in Richmond findet vor einer Straßenkulisse mit Dorfkneipe und Zeltständen statt, Plumketts Haus ist von einem großen Kamin mit Familienporträts geprägt – samt obligatorischen Bild Queen Viktorias, das wohl einem Monty-Python-Film entstammt. Die Waldschänke ist ein typischer Biergarten mit den üblichen Bierbänken und zum Finale kommt Queen Viktoria noch einmal großformatig heraus. Auch wegen der Kleidung kann man die Handlung in der Mitte des 19. Jahrhunderts zur Entstehungszeit verorten. Der Diener von Lord Tristan (Achtung: Tristan-Zitat!), der Kellner der Waldschänke sowie seine Gäste, Richard Wagner und ein Familien-Ausflug, sind zwar nicht vorgesehen, aber immer für einen Gag gut.

Sänger und Orchester

Das Gärtnerplatztheater kann durch eine Besetzung aus dem Ensemble heraus eine gewisse langfristige Kontinuität in der Besetzung vorweisen, alle Hauptrollen werden aus dem Haus besetzt: Jennifer O’Loughlin kommt mit den Herausforderungen der Rolle der Lady Harriet wirklich zurecht, dank traumhaft sicherer Koloraturen, deren Schwierigkeitsgrad der Königin der Nacht in nichts nachstehen, eine klare, reine und dynamische Stimme, mit der sie das Publikum spielerisch um den Finger wickelt. Anna-Katharina Tonauer ist die solide Mezzo-Stimme am Haus, die aus dem Sidekick Nancy dank klarer durchschlagsstarker Stimme eine gleichwertige Rolle zu Lady Harriet macht.

Ebenso auf hohem sängerischen Niveau die beiden Liebhaber: Alexandros Tsilogiannis ist ein etwas zurückhaltender lyrischer Tenor mit sicherer Höhe. Christoph Seidl ist mit tiefer sonorer Stimme in der Baßrolle des Plumkett gut aufgehoben. Auch die Nebenrollen können in diesem Konzert der Stimmen mithalten. Martin Hausberg, der lethargisch unauffällige Lord Tristan, und Markus Wandl als Chorsolist der großvolumige Richter. Andreas Kowalewitz geht den Abend mit zunächst etwas langsamerem Tempo dynamisch an, nimmt dann aber Fahrt und Lautstärke auf und kann bewegende Momente gestalten. Er greift dabei auf das bestens eingestellte Orchester und den bestens einstudierten Chor zurück, der hier auch tänzerisch gefordert wird.

Fazit

Dreiunddreißig Jahre ist diese Produktion jetzt alt, und sie hat sogar ihren Initiator, Loriot, überlebt. Ihm ist es gelungen, diesem Werk eine liebenswerte und heitere Sicht auf die Handlung zu geben und so ist das Ergebnis ein Dauerbrenner der Operngeschichte geworden. Leider war dem Werk wegen der etwas drögen Handlung keine Wiedergeburt in den Spielplänen beschieden. In München freut man sich jedoch über stete Nachfrage. Die kleinen Scherze von Loriot bis hin zum Auftritt Richard Wagners im Biergarten sind mittlerweile Klassiker und stehen hier quasi unter Denkmalschutz, ohne wohl jemals zu verstauben. Auch die musikalische Umsetzung entspricht dem Niveau und selbst Kinder sind am Ende der Vorstellung beigeistert und applaudieren genauso heftig wie das übrige Publikum. Wie Loriot sagte: Ad multos annos!

Oliver Hohlbach

Bild: Christian POGO Zach

Das Bild zeigt: Jennifer O’Loughlin (Lady Harriet Durham), Ann-Katharin Naidu (Nancy), Martin Hausberg (Lord Tristan Mickleford)

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