Die Gespräche der Karmeliterinnen – Dialogues des Carmélites – Hof, Theater

von Francis Poulenc (1899-1963), Oper in drei Akten, Libretto: Francis Poulenc, nach dem Drehbuch von Georges Bernanos, deutsche Textfassung: Peter Funk und Wolfgang Binal, UA: 26. Januar 1957 Mailand, Teatro alla Scala,

Regie: Lothar Krause, Bühne/Kostüme: Annette Mahlendorf

Drigent: Arn Goerke, Hofer Symphoniker, Opernchor, Choreinstudierung: Hsin-Chien Fröhlich)

Solisten: James Tolksdorf (Marquis de La Force), Susanne Serfling (Blanche de La Force), Benjamin Popson (Chevalier/Bruder), Elisabeth Hornung (Madame de Croissy/alte Priorin), Inga-Britt Andersson (Madame Lidoine/neue Priorin), Stefanie Rhaue (Mutter Marie), Ines Lex (Schwester Constance), Karsten Jesgarz (Beichtvater)  u.a.

Besuchte Aufführung: 11. März 2017 (Premiere)

Kurzinhalt

Das Leben von Blanche De La Force wird seit ihrer Geburt, bei der ihre Mutter starb, von Angst überschattet. Sie beschließt abgeschieden im Karmeliterinnenkloster in Compiègne zu leben – gegen den Willen ihrer Familie. Obwohl die Priorin Blanches Motivation anzweifelt, wird Blanche aufgenommen. Während die Priorin im Sterben liegt, prophezeit Constance ihrer Mitnovizin Blanche den gemeinsamen frühen Tod. Die französische Revolution bricht aus, das Kloster wird aufgelöst. Als die Schwestern die Blutzeugenschaft ablegen, flieht Blanche in das Haus ihres hingerichteten Vaters. Dort erfährt sie von der Verhaftung der Mitschwestern, denen das Todesurteil verkündet wird. Auf dem Weg zum Schafott singen sie die Salve Regina. Blanche stimmt ein und folgt ihren Mitschwestern in den Tod.

Aufführung

Das Bühnenbild besteht eigentlich nur aus Wänden und Mauerteilen, die irgendwann einstürzen, aus Trenngittern, die entschwinden und einem großen Madonnenbildnis, das zu Bruch geht – das Jesuskind wird wie eine Puppe danach herumgereicht. So wird mit geringen Mitteln ein Kloster oder eine Gefängniszelle gebildet. Am Schluß stehen die Nonnen auf dem Hinrichtungsplatz, einer kreuzförmigen Plattform: Zum ersterbenden Chor Salve Regina und dem Klappern der Guillotine spritzt das Blut über die weißen Unterkleider. Die Kostüme entstammen der Entstehungszeit von 1793, die Adelskleidung mit Perücken ist sehenswert – La belle poule (Die schöne Henne, eine besondere Form der Frisur) Ein Kriegsschiff auf Dauerwelle, die Alltagskleidung ist von Les Misérables inspiriert, die Karmeliterinnen tragen die traditionelle Tracht.

Sänger und Orchester

Susanne Serfling gelingt eine beispielhafte Gestaltung der Hauptrolle als Blanche. Diese innere Zerrissenheit zwischen seelischen Extremen wird mit teilweise brüchiger Stimme, einem ausdrucksstarken Crescendo und einem klaren jugendlich strahlenden Fortissimo deutlich. Ihr Vater, der Marquis, James Tolksdorf, zeigt mit einem heftig polternden Auftritt den Ernst der Lage. Mit seinem hohen Klangbild und durchschlagsstarken Stimme könnte er auch als Tenor durchgehen. Stefanie Rhaue formt die Mutter Maria zu einer zentralen Rolle. Mit ihrem dunkel timbrierten kräftigen Alt kann sie sowohl mitfühlend als auch bösartig keifig sein.

Elisabeth Hornung stellt als sterbende Priorin stimmliche Leidensfähigkeit unter Beweiß. Inga-Britt Andersson läßt als neue Priorin keine Wünsche hinsichtlich Höhe, Leuchtkraft und dynamischer Ausstrahlung offen. Ähnliches gelingt Ines Lex als Schwester Constance, wenn auch ihre erfahrene Wagner-Stimme etwas schwer wirkt. Dafür kann sie der Rolle mehr Tiefe als nur die mitfühlende Freundin von Blanche geben. Karsten Jesgarz ist ein sehr beweglicher Spieltenor, der dem Beichtvater die entsprechende Kompetenz gibt. Der Chor „der Nebenrollen der Nonnen und Revolutionäre“ ist zwischen solistischen Leistungen und registerreichem Klangbild bestens aufgestellt. Arn Goerke gibt diesem Meisterwerk der zeitgenössischen Musik die entsprechende Dynamik, auch wenn die Feinabstimmung zwischen Orchester und Solisten noch etwas verbesserungswürdig ist, da manche Passagen vom Orchester zugedeckt werden. Es ist aber auch wirklich schwierig, einen Kompromiß zwischen Konversationsstück und Oper zu finden. Aber das Finale Salve Regina gelingt ihm – als kirchenmusikalische Feier – mit monumentaler Wucht.

Fazit

Dank der Reduzierung der Ausstattung gelingt eine Fokussierung der Handlung auf die Dialoge zwischen den einzelnen Personen, auf ihre Gefühle, auf ihre Motivation. Bei meist sehr klarer Deklamation macht das die Produktion zu einer spannenden Seelenanalyse zwischen Glaube und Angst. Dabei ist die Verwendung der deutschen Übersetzung für das Publikum hilfreich, auch wenn ohne Übertitel nicht jedes Wort verständlich ist, manches auch in der Musik untergeht. Das sehr blutige (aber nicht minder eindrucksvolle) Schlußbild führt zu einer Schockstarre des Publikums, so ist der Schlußapplaus zunächst verhalten, am Ende wird die stringent werkgetreue Produktion, die auch musikalisch jeder Staatsopernproduktion in nichts nachsteht, enthusiastisch gefeiert.

Oliver Hohlbach

Bild: Harald Dietz

Das Bild zeigt: Elisabeth Hornung (Madame de la Force, Priorin), Susanne Serfling (Blanche de la Force), Stefanie Rhaue (Mutter Maria, Subpriorin) und Ensemble

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