LE NOZZE DI FIGARO – Dresden, Semperoper

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Commedia per musica in vier Akten, Libretto: Lorenzo da Ponte nach Beaumarchais’ Komödie La folle jounrnée, ou Le marriage de Figaro, UA: 1. Mai 1786 Wien, Burgtheater

Regie: Johannes Erath, Bühne: Katrin Connan, Kostüme: Birgit Wentsch, Licht: Fabio Antoci

Dirigent: Omer Meir Wellber, Sächsische Staatskapelle Dresden Sächsischer Staatsopernchor, Choreinstudierung: Wolfram Tetzner

Solisten: Christoph Pohl (Graf Almaviva), Sarah-Jane Brandon (Gräfin), Emily Dorn (Susanna), Zachary Nelson (Figaro), Christina Bock (Cherubino), Sabine Brohm (Marcellina), Matthias Hennerberg (Bartolo), Aaron Pegran (Don Basilio), Tuuli Takala (Barbarina) u.a.

Besuchte Aufführung: 2. Juli 2015

Dresden FigaroKurzinhalt

„An einem tollen Tag“ spielt die gleichnamige Komödie von Beaumarchais, auf der Lorenzo da Pontes erotischer Verwechslungsreigen basiert. Figaro bereitet seine Hochzeit mit Susanna vor, möchte aber zuvor die Genehmigung seines Dienstherrn, des Grafen Almaviva einholen. Dieser hat ebenfalls Interesse an Susanna und steht der Zukunft des Paares im Wege ebenso wie Bartolo und Marcellina. Marcellina möchte Figaro heiraten und erpreßt ihn mit einem von ihr gewährten Darlehen. Der junge Page Cherubino sucht Liebesabenteuer, wo er kann und ist zuletzt mit der Gärtnerstochter Barbarina erwischt worden. Der Graf befördert ihn daher schnell zum Offizier und in ein entferntes Regiment. Die Gräfin lockt ihren treulosen Mann in eine Falle. Ein Tag voller Intrigen und Tollheiten, der sich am Abend in Zufriedenheit auflöst.

Aufführung

Im Dresdner Figaro dreht sich alles ums Theater, das Spiel im Spiel. Es beginnt mit einfachster Jahrmarktunterhaltung und endet in einer Art bürgerlichem Trauerspiel. Im ersten Akt purzeln die Charaktere als schablonenhafte Commedia dell’ Arte-Figuren über eine Bretterbühne. Die sich anschließende Kulisse ist pompöser, mit floralen Vorhängen, hohen Perücken und in großen Roben, gestützt durch Requisiten wie eine Schranktür mit doppeltem Boden und eine lange Tafel, an deren Enden das entzweite Grafenpaar sitzt. Dienstboten tänzeln frech die Treppe hinauf, als running gag kommt der Gärtner immer wieder aus einer Luke gekrochen. Auf dem Höhepunkt des Chaos steht plötzlich alles still. Der finale Akt gilt dem modernen Theater. Hin und wieder wird ohne Musik gesprochen. Vor nächtlicher Kulisse, in Bademantel oder Schlafshirt, sind die Masken gefallen.

Sänger und Orchester

An diesem Abend bildete die Sächsische Staatskapelle Dresden den alles überragenden musikalischen Höhepunkt. Mit großer Beredtheit in Mimik und Gestik zauberte Dirigent Rainer Mühlbach einen filigranen und transparenten Mozartklang auf die Bühne und brachte feinste Nuancen der Partitur zu Gehör – mit beeindruckenden Instrumentalsoli. Daniela Pellegrino am Cembalo spielte zwischen Szenenwechseln La vie en rose – ein Regieeinfall, der nicht nur Tristesse verströmte, sondern auch Charme hatte.

So sehr sich die Staatskapelle in den Zwischenspielen entfalten konnte, so behutsam war Mühlbach in der Begleitung der Sänger. Auch die Gesangssolisten dieses Figaro genügten den Ansprüchen eines perfekt aufeinander eingespielten Mozartensembles.

Herausragend sang Sarah-Jane Brandon die Arien der Gräfin. Im Duett mit der seufzenden Solo-Oboe, eröffnete sie den zweiten Akt mit dem Lamento: Porgi amor, qualche ristoro al mio duolo – gib, Liebe, etwas Linderung meinem Schmerz. Ihr Sopran bringt Intensität, vokale Energie und reichen Klang mit, die Spitzentöne nimmt Brandon zart im ppp. Eine schillernde Sängerin, der man die Verletzlichkeit hinter der Sonnenbrille abnimmt. Christina Bock verkörperte die Hosenrolle des Cherubino mit großer Komik und verlieh ihren beiden Arien trotz einiger Intonationsprobleme den Zauber ungestümer Jugendlichkeit. Wie ein Schmetterling flatterte sie über die Bühne und ließ die Seufzer der noch nicht erlebten Liebe hören Non so più cosa son, cosa faccio – Ich weiß nicht mehr, was ich bin, was ich tue (1. Akt).

Christoph Pohl (Graf Almaviva) konnte nicht immer mit dem Orchester Schritt halten und seinen klangvollen Bariton in anderen Partien besser entfalten. Zachary Nelsons Baß war für die Partie des Figaro stimmlich nicht ausreichend agil. Nach der Haarnadel-Arie (4. Akt), die überzeugend von Tuuli Takala (Barbarina) dargeboten wurde, konnte er sich dennoch steigern. Emily Dorn (Susanna) hat eine leichte, effektvolle Stimme und verkörperte ihre Rolle ebenso wie Karin Lovelius als ältliche Haushälterin Marcellina mit viel komischem Talent. In den Quartetten und Sextetten war zu hören, wie gut die Sänger aufeinander eingespielt waren.

Fazit

Johannes Eraths dreiteilige Regie-Konzeption stützt sich auf die Figaro-Vorlage von Beaumarchais und stellt drei historische Bezüge her, die er in entsprechende Formen des Theaters kleidet. Das ist extravagant, aber in diesem Fall gelungen. Jahrmarkt, Slapstick, Pantomime, Versteck- und Trauerspiel mitsamt einem glänzend aufeinander eingespielten Sängerensemble machten diesen „verrückten Tag“ zu großem Theater. Dirigent Mühlbach und die Staatskapelle bildeten ein überaus überzeugendes Mozart-Gespann. „Damit sind wir alle zufrieden.“

Norma Strunden

Bild: Matthias Creutziger

Das Bild zeigt: Zachary Nelson (Figaro), Emily Dorn (Susanna), Sarah-Jane Brandon (La Contessa d’Almaviva), Christoph Pohl (Il Conte d’Almaviva), Alexander Hajek (Antonio), Sabine Brohm (Marcellina)

 

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