SIEGFRIED – Nürnberg, Staatstheater

von Richard Wagner (1813-1883), Musikdrama in drei Aufzügen, Zweiter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen, Libretto vom Komponisten, UA: 16. August 1876 Bayreuth, Festspielhaus

Regie: Georg Schmiedleitner, Bühne: Stefan Brandtmayr, Kostüme: Alfred Mayerhofer

Dirigent: Marcus Bosch, Staatsphilharmonie Nürnberg

Solisten: Vincent Wolfsteiner (Siegfried), Peter Galliard (Mime), Antonio Yang(Wanderer), Martin Winkler (Alberich), Nicolai Karnolsky (Fafner), Leila Pfister (Erda), Rachael Tovey (Brünnhilde), Leah Gordon (Stimme eines Waldvogels)

Besuchte Aufführung: 19. April 2015 (Premiere)

Nuernberg Siegfried gp  103Kurzinhalt

Siegfried wird vom Zwerg Mime großgezogen, ohne Respekt oder Furcht zu kennen. Wie es der Wanderer prophezeit, gelingt es dem Furchtlosen, das Schwert Nothung aus Trümmern neu zu schmieden. Mimes Ziel ist es, Siegfried gegen Fafner aufzustacheln, damit dieser ihn töte und ihm den Ring verschaffe. Nachdem Siegfried den Riesenwurm getötet hat, bringt er den Ring an sich und erkennt durch das magische Drachenblut die wahren Ziele Mimes. Aus Zorn bringt er ihn um und macht sich auf zum Brünnhildenfelsen, um dort Brünnhilde zu erwecken und ihre Liebe zu erringen. Zuvor trifft er auf den Wanderer – den umherstreifenden Gott Wotan – und zerschlägt seinen Speer, der Wotan die Macht über die Welt sicherte. Wotan tritt ab und macht Siegfried so den Weg frei.

Aufführung

Wir befinden uns zeitlich irgendwo zwischen heute und Endzeit. Mime zieht seinen Ziehsohn in einem ausgebrannten Haus auf, was durch eine beschmierte Plakatwand kaschiert wird. Sie leben zwischen Doppelstockbett, Waschmaschine und Bauteilen einer Wohnküche. Siegfried soll in seiner roten Trainingshose mit Hosenträgern jung und „cool“ aussehen, während Wotan Windjacke und Basecap trägt und Socken von Mime klaut. Fafner wohnt unter einer aufgefalteten Straße, das Waldvögelein kommt an Krücken daher. Wotan trifft sich mit Erda in der Toilette einer Endzeit-Kneipe. Die Betrunkenen finden zum „Kotzen“, daß die Pißrinne Feuer fängt und sich in den Walkürenfelsen verwandelt. Der Walkürenfelsen wiederum verwandelt sich in eine Ehecouch und einen Hochzeitstisch.

Sänger und Orchester

Die Weiterentwicklung des Vincent Wolfsteiner von Loge, über Siegmund zum Siegfried, von einem lyrischen Tenor zu einem immerhin mittelkräftigen Heldentenor kann man durchaus als Entdeckung bezeichnen. Wer die Schmiedelieder durch alle Höhen und Tiefen im Forte stemmt und am Ende noch Kraft und Volumen hat, den Dialog mit Brünnhilde Leuchtende Liebe, lachender Tod durchzustehen, der ist in der ersten Garde der Wagner-Tenöre angekommen. Man kann auch nicht sagen, daß sich Rachael Tovey als Brünnhilde zurücknimmt. Sie ist ein dramatisch-jugendlicher Sopran, arbeitet aber lieber mit weniger Lautstärke als vielmehr mit Gesangslinie und Wohlklang. Antonio Yang gestaltet den Wanderer genauso beispielhaft wie den Walküren-Wotan: Als tief fundierter Baßbariton verfügt er auch über ein strahlend helles Timbre, bleibt immer der Gesangslinie treu und bleibt darüber hinaus wortverständlich. Ebenso beispielhaft wie grandios gestaltet Martin Winkler einen proletenhaft dämonischer Alberich mit facettenreichem Baßbariton. Leah Gordon stellt mit ihrem verspielten lyrischen Sopran mit warmer, technisch sauberer Stimme die richtige Besetzung für das hohe Gezwitscher des Waldvogels dar. Peter Galliard spricht als Mime mehr als er singt, während Nicolai Karnolsky über eine in der Tiefe sicher aufgestellte markige Baßstimme verfügt, um Fafner einen abgründig bösartigen Charakter zu verleihen. Marcus Bosch führt mit sicherem Griff die Staatsphilharmonie Nürnberg und diesen Ring. Seine Einstudierung verfolgt zum einen die klare Ausziselierung der Leitmotive, doch die monumentale Wucht Wagners spielt er herunter. Problematisch manchmal das verhaltene Tempo, dafür bringen die Temposteigerungen Aufmerksamkeit erregende Dynamik ins Spiel, wie z.B. beim Waldweben. Der vorwärtstürmende Siegfried (Vorspiel 3. Akt) leidet unter der Konterkarierung auf der Bühne. Weniger schön die Wackler im Orchester, gerade in den Solo-Stellen für Holz- und Blechbläser. Auch der Siegfried-Ruf hat ohrenfällige Probleme, wenn das erste Horn als Siegfried-Double auf der Bühne steht.

Fazit

Siegfried gilt gemeinhin als Scherzo – allerdings gibt es Grenzen: Man kann darüber streiten, wann sie überschritten werden, beispielsweise wenn Alberich Wotan „anpinkelt“ (auch wenn sein aus der Hose hängendes „Gemächt“ nur eine Gummi-Attrappe ist), oder wenn Mimes Waschmaschine so laut schleudert, daß die Musik übertönt wird (ein Elektromotor ist jedenfalls in der Partitur nicht vorgesehen!), oder wenn Siegfried und Brünnhilde im Finale mit Bierdose und Chips auf dem Ehestandssofa enden. Gleiches gilt für die schäbige Endzeit-Ästhetik, in der dennoch ausreichend Strom (der kommt nicht aus dem Kraftwerk, sondern aus der Steckdose!), Nutella und Müsli vorhanden sind.Jedenfalls gab es für die Regie nach dem Schlußvorhang ungewohnt heftig Kontra. Dagegen werden die Sänger (gefeiertes Rollendebüt von Vincent Wolfsteiner als Siegfried), Orchester und Dirigent (trotz einiger, teils heftiger Wackler im Orchester) heftig bejubelt – völlig zu Recht!

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah

Das Bild zeigt: Vincent Wolfsteiner (Siegfried) li., Peter Galliard (Mime) re.

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