Karlsruhe, Badisches Staatstheater – DER TOD IN VENEDIG (DEATH IN VENICE)

von Benjamin Britten, Oper in zwei Akten, Libretto: Myfanwy Piper, UA: 16. Januar 1973, Aldeburgh Festival (Snape)
Regie: Georg Köhl, Bühne und Kostüme: Florian Etti, Choreographie: Nick Hobbs
Dirigent: Jochem Hochstenbach, Badische Staatskapelle, Badischer Staatsopernchor
Solisten: Bernhard Berchtold (Gustav von Aschenbach), Simon Schnorr (Der Reisende, der älterliche Geck, der alte Gondoliere, der Hotelmanager, der Friseur, der Führer der Straßensänger, die Stimme des Dionysos), Matthias Lucht (Die Stimme Apollos), Andreas Heideker (Hotelportier), Tibor Brouwer (Schiffs-Steward), Daniela Köhler (Straßensängerin, Spitzenverkäuferin), Jung-Heyk Cho (Straßensänger), Lukas Schmid (Restaurantkellner), Sigrun Maria Bornträger (Bettlerin), Mehmet Utku Kuzuluk (Glasbläser), Ks. Tiny Peters (Erdbeerverkäuferin), Özgeçan Gençer
Ballettensemble: Bram Koch (Tadzio), Arman Aslizadyan (Aschenbach 2), Reginaldo Oliveira (Jaschiu), Jason Maison, Maxim Ponomarev, Ronaldo dos Santos, Andrey Shatalin, Zhi Le Xu (5 Jungen), Hélène Dion a. G. (Tadzios Mutter), Constanze Aymans, Sonja Betsch (Schwestern Tadzios), Tabea Schulz (Gouvernante)
Besuchte Aufführung: 28. März 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
karlsruhe-tod-in-venedig.jpgDer Dichter Aschenbach wird von einer Schaffenskrise heimgesucht. Auf einem Friedhof trifft er einen Wanderer (der als Todesbote in verschiedenen Gestalten wieder auftaucht), welcher ihn auffordert, gen Süden zu ziehen. Auf seiner Fahrt nach Venedig ist Aschenbach angewidert von einer Gruppe liebeslustiger Jugendlicher, unter denen sich auch ein älterer Geck befindet. Angekommen, läßt sich der Dichter von einem Gondoliere zum Lido bringen. Im Hotel trifft Aschenbach auf eine polnische Familie, zu welcher der Jüngling Tadzio gehört. Das nahezu göttliche Auftreten des Jungen fasziniert den Dichter. Aschenbach will wegen drückender Hitze nach wenigen Tagen abreisen. In einer Vision gewinnt Tadzio einen Fünfkampf zu Ehren Apolls. Die Szene endet mit den Worten Aschenbachs: Ich liebe dich. Von seinem Friseur erfährt er zufällig von einer Seuche in der Stadt (Cholera), die von den meisten Bewohnern geleugnet wird. In einem Traum erscheinen dem schon kranken Aschenbach Apoll und Dionysos. Dionysos überzeugt den Dichter von seiner Neigung zu Tadzio, während Apoll davon abrät. Aschenbach läßt sich, um Tadzio zu gefallen, von seinem Friseur verjüngen und ähnelt nun dem Geck. Die polnische Familie ist im Begriff, abzureisen. Ein letztes Mal beobachtet Aschenbach Tadzio am Strand, als dieser von seinem Kameraden erniedrigt wird. Der Sterbende sieht Tadzio aufs Meer hinausgehen. Der Junge dreht sich winkend um, während Aschenbach sein Bewußtsein verliert.
Aufführung
Das Bühnenbild des ersten Aktes besteht aus sechs aquarienartigen Kuben, die teils mit Büchern gefüllt sind. Die Elemente sind beweglich und werden später zu Hotelräumen umfunktioniert. Aschenbach wird von einer zweiten Person während der gesamten Oper gedoppelt. Zudem wurden der Reisende, der Geck, der Gondoliere, der Hotelmanager, der Friseur, der Straßensänger und Dionysos mit derselben Rolle (Simon Schnorr) besetzt. In der Ballettgruppe um Tadzio liegt der Schwerpunkt auf dem homoerotischen Aspekt, während das eigentliche Spiel der Kinder oft in den Hintergrund rückt. Der Wettkampf wird durch Nachahmung entsprechender Sportlergesten vermittelt, wie die Startposition beim Wettlauf oder die Körperhaltung beim Diskuswurf. Das Bild des zweiten Aktes gibt den Blick auf die gesamte Bühne frei: man sieht umgeworfene Stühle und einen Kleiderständer. Auf dem Boden liegt eine an den Enden aufgehängte durchsichtige Folie. Der Scirocco (heißer Wind aus Afrika) ist dargestellt durch herabhängende Ventilatoren. Der Ausbruch der Cholera läßt sich an der Zeitungsverkäuferin oder der Bettlerin erkennen, die langsam auf der Bühne vor sich hinsiechen.
Sänger und Orchester
Sängerisch sind vor allem die Leistungen von Bernhard Berchtold (Aschenbach) und Simon Schnorr (Reisender) hervorzuheben. Berchtold beeindruckte vor allem auch in der hohen Stimmlage mit Obertonreichtum und Tonsicherheit. Simon Schnorr dagegen bot die ganze Stimmpalette vom düster-tragischen als Reisender bis zum komödiantenhaften als Straßensänger. Matthias Lucht (Apollo) bewältigte seine Counterpartie äußert eindrucksvoll, besonders im Forte-Bereich. Auch das Orchester der Badischen Staatskapelle brachte Brittens Musik wirkungsvoll zum erklingen. So wußte beispielsweise die Percussion bei der Überfahrt nach Venedig den Raum mit nahezu realen Geräuschen einer Dampfmaschine zu imitieren.
Fazit
Der musikalischen Glanzleistung stand eine verwirrende Inszenierung gegenüber. Dem Bühnenbild fehlt der handlungsspezifische Bezug, oft sind die Regieeinfälle verwirrend und wenig nachvollziehbar: so stört Aschenbachs Doppelgängerperson durch seine Balletteinlagen die Monologe Aschenbachs sowie dessen Beziehung zu Tadzio, dessen pantomimische Rolle dadurch stark an Bedeutung verliert.
Daniel Rilling
Bild: Jacqueline Krause-Burberg

Das Bild zeigt: Arman Aslizadyan (Aschenbach 2), Bram Koch (Tadzio), Bernhard Berchtold (Gustav von Aschenbach) v.l.

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