DER ROSENKAVALIER – Weimar, Nationaltheater

von Richard Strauss (1864-1949), Komödie für Musik in drei Aufzügen, Libretto: Hugo von Hofmannsthal, UA: 26. Januar 1911 Dresden, Semperoper

Regie: Vera Nemirova, Bühne/Kostüme: Tom Musch

Dirigent: Stefan Solyom, Staatskapelle Weimar, Chor des DNT, Die Ameisenkinder (Kinderchor) des Goethegymnasiums Weimar

Solisten: Johanni van Oostrum (Feldmarschallin), Dirk Aleschus (Baron Ochs auf Lerchenau), Katarina Giotas (Octavian), Uwe Schenker-Primus (Herr von Faninal), Elisabeth Wimmer (Sophie), Heike Porstein (Jungfer Marianne), Jörn Eichler (Valzacchi), Sayaka Shigeshima (Annina), Jaesig Lee (Ein Sänger) u.a.

Besuchte Aufführung: 31. Oktober 20014 (Premiere)

DNT Weimar / DER ROSENKAVALIER von Richard Strauss / Musikalische Leitung: Stefan Solyom / Regie: Vera Nemirova / Bühne und Kostüme: Tom Musch / Premiere: 31.10.2014, Großes Haus / auf dem Foto: Elisabeth Wimmer (Sophie), Katarina Giotas (Octavian) / Foto: Vincent LeiferKurzinhalt
Die Feldmarschallin hat eine Affäre mit dem jungen Octavian. Da platzt der Baron Ochs herein. Um die Situation zu vertuschen verkleidet sich Octavian als Kammerzofe. Baron Ochs macht ihr den Hof, obwohl er sich mit Sophie verloben will. Für die Brautwerbung schlägt die Feldmarschallin Octavian als Rosenkavalier vor. Als Octavian Sophie besagte Rose überbringt, verlieben sich beide ineinander. Hingegen ist Ochs Verhalten gegenüber Sophie so rüpelhaft (Octavian geht auf Ochs los), daß sie seinen Heiratsantrag ablehnt.  Die Kammerzofe (d.h. Octavian) verwickelt bei einem Stelldichein Ochs in ein peinliches Possenspiel, das sogar die Polizei auf den Plan ruft. Deswegen zwingt die Feldmarschallin Baron Ochs zum Verzicht auf Sophie. Schließlich muß sie schweren Herzens auf Octavian verzichten.

Aufführung
Das Bühnenbild besteht aus zwei halbkreisförmigen Furnierwänden: Die äußere Wand bildet den Hintergrund, während die innere verschiebbar ist. Diese innere Wand enthält auch Fenster mit Rollos, durch die im ersten Akt der Haushofmeister und die Bittsteller ungeniert Einblick auf das Liebesspiel nehmen. Im zweiten Akt formt die innere Wand an der Decke eine Galerie, schafft Raum für den großen Festsaal mit zwei Tischreihen, an der Wand keine Bilder, sondern Schweinehälften, auf einem Tisch wird sich Ochs hinlegen, um sich von seiner Verletzung zu erholen. Im dritten Akt bilden die beschädigten Wände Auftrittsflächen für die Geister und den Kinderchor. Auf dem großen roten „Liebesspiel-Sofa“ nehmen am Schluß Sophie und Octavian Platz, um sprachlos unter den Blicken der Ahnen aus den (Fenster-) Bilderrahmen ihren Lebensabend zu verbringen, während der Moor sich die Schminke mit einem weißen Taschentuch aus dem Gesicht wischt und sich als Valzacchi zu erkennen gibt. Die Kostüme sind kunterbunt aus allen Moden zwischen Barock und Heute entnommen. Besonders neuzeitlich geschmacklos kleidet sich Ochs, das fettige Haar ist nicht gewaschen. Mit dem Ruf Mir wird ganz heiß entledigt er sich dieser Perücke.

Sänger und Orchester
Der Premierenabend ist geprägt von äußerster Nervosität, mit zusätzlichen Proben wird sich das sicherlich geben. Denn viele Einsätze (auch mit den Chor) hängen – und die Darsteller hängen mit dem Blick am Dirigenten. Dabei ist die musikalische Interpretation von Stefan Solyom durchgehend stringent und zielgerichtet, jedoch führen die ständigen Tempowechsel doch irgendwann einmal zu einem Spannungsverlust. So wirkt die Auseinandersetzung zwischen Ochs, Sophie und Octavian im zweiten Akt eher langatmig, vielleicht auch wegen der Spielfassung. Beim Finalterzett setzt er zu viel Drang und Dynamik ein, und für die Zeit ist ein sonderbar Ding wäre eine langsamere, subtilere Gestaltung wünschenswert. Oder weil sich Dirk Aleschus nicht ansagen läßt, obwohl er hörbar indisponiert ist. Dafür klingt die Stimme (noch) dunkler, durchschlagskräftiger. Eben ein Ochs von echtem österreichischem Landadel, voll Schrot und Korn – er war das Cover für die Rolle in Salzburg. Noch beeindruckender die Darstellung einer jugendlich naiven Sophie durch Elisabeth Wimmer, die aber mit Nachdruck und etwas hart fokussierender Stimme ihren Willen durchsetzt. Ebenso draufgängerisch Katarina Giotas als Oktavian mit wunderschönem leuchtend klarem Mezzo. Sie bindet sich auch stimmlich wunderbar in Duette mit der Marschallin ein, jedoch die Stimme umschreibt keine männliche Nuancen und wirkt leider fehl am Platz. Doch die Stimme ist kongenial mit der Marschallin Johanni van Ostrum. Auch sie wirkt jugendlich, verfügt aber über deutlich mehr Durchschlagskraft und kann mit sanfter Wehmut und leisen Tönen berührend über die Jungen Leut nachdenken. Uwe Schenker-Primus spielt einen sehr gewichtigen Herrn von Faninal, gestaltet eine Hauptrolle daraus mit sicherer tiefer Stimme viel Leuchtkraft und beeindruckt mit absoluter Textverständlichkeit. Heike Porstein ist mit ihrem harten kräftigen Sopran eher die Herrin des Hauses als die freundliche Gouvernante Jungfer Marianne. Trotz der Sparmaßnahmen in Thüringen gelingt eine hervorragende Besetzung bis in die Nebenrollen, z.B. Jaesig Lee gestaltet die Rolle des Sängers wie es sein soll: Strahlend hell und mit viel lyrischem Schmelz in der Kehle.

Fazit
Strauß bezeichnete seinen Rosenkavalier als Komödie mit Musik. Gelacht werden darf durchaus, allerdings hier über einen lustigen Softporno à la „Eis am Stil“, womit auch wirklich alles über das Niveau der Regie von Vera Nemirova gesagt wäre: Während der Haushofmeister noch selbst Hand anlegt, greift Jungfer Marianne Herrn von Faninal in die Hose bis sie ruft Er kommt! Lüstern beobachtet die Gesellschaft das Liebesspiel der Feldmarschallin mit ihrem Geliebten, sogar fotografiert wird eifrig. Musikalisch hingegen ist die Produktion herausragend besetzt! Daß Octavian nicht als Mann überzeugen kann, liegt auch in der Personenregie begründet, die die Rolle androgyn sieht – laut Programmheft. Handwerklich ungeschickt plaziert, singt das Ensemble am Bühnenportal, während vieles im Hintergrund spielt – und so einem Teil des Publikums aus Gründen der Perspektive verborgen bleibt – zum Glück! Das Publikum feiert das Musiktheaterensemble heftig – für das Regie-Team gibt es teils heftige Buh-Rufe.

Oliver Hohlbach

Bild: Vincent Leifer

Das Bild zeigt: Elisabeth Wimmer (Sophie), Katarina Giotas (Octavian)

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