32ème Festival international d’Opéra Baroque – Internationales Barock-Opernfestival, Beaune

Castor e Pollux

von Jean-Philippe Rameau (1683-1764) Tragédie in 5 Akten, Libretto: Pierre-Josephe Gentil-Bernard, 1. Fassung 1737, hier die Version von 1754, UA: 11. Januar 1754 Paris, Académie Royale de Musique

Dirigent: Raphaël Pichon, Chor und Orchester Pygmalion

Solisten: Colin Ainsworth (Castor), Florian Sempey (Pollux), Emanuelle de Negri (Télaïre), Clémentine Margaine (Phébé), Christian Immler (Jupiter), Philippe Talbot (ein Athlet/Merkur), Sabine Devieilhe (Cléone/ein Schatten/Vertraute von Hebe), Virgile Ancely (Hohepriester)

Besuchte Aufführung: 26. Juli 2014 (Basilique Notre-Dame)

Beaune PichonkonzertKurzinhalt

Télaïre und Phébé, Töchter der Sonne, sind alle beide in Castor verliebt. Aber Télaïre soll Pollux, den Zwillingsbruder, der König von Sparta ist, heiraten. Er ist unsterblich, weil er von Jupiter abstammt. Doch Castor verzichtet auf Télaïre, obwohl er in sie verliebt ist. Phébé ist eifersüchtig und erbittet von Lynkeus, Télaïre zu entführen. Lynkeus überfällt die Stadt und Castor stirbt im Kampf. Pollux tötet Lynkeus. Doch diese Rache genügt Télaïre nicht, sie möchte, daß Pollux von seinem Vater Jupiter die Unsterblichkeit erreicht und Castor wieder auf die Erde zurückbringt. Jupiter willigt nur ein, wenn Pollux an Castors Stelle in die Unterwelt geht. Aber Castor will nicht dieses Opfer seines Bruders. Aber er will für einen einzigen Tag auf die Erde zurück, um ein letztes Mal seine Geliebt zu sehen. Nun trifft Jupiter ein Entscheidung: Castor und Pollux werden als Sternbild am Himmel vereint.

Sänger und Orchester

Schon bei der Eröffnungsmusik fällt die verblüffende Genauigkeit im Zusammenspiel der einzelen Instruementalisten und der Bläser mit den Streichern des  Orchesters auf. Die bei Rameau wahrliche nicht leichten rhythmischen Finessen kommen vollkommen auf die Zeit, sind immerzu spritzig, die Ausgewogenheit der Bläser und Streicher gelingt über die Maßen gut und deren abwechselnde Einsätze sind geradezu umwerfend. All dies wird bis zum Ende der dreistündigen Oper aufrechterhalten. Kein Einsatz „wackelt“. Die Übergänge sind präzise und fließend. Ebenso werden die Solisten und der Chor geradezu „unauffällig“ begleitet, will heißen: nie übertönt das Orchester, auch in voller Stärke, den jeweiligen Sänger, etwas, was bei den meisten Aufführungen, die der Rezensent erlebte, leider an der Tagesordnung ist.

Bei den Sängern sind die Stimmen in der Akustik der Kathedrale wohlaufgehoben. Die Soprane sind strahlend leuchtend, die Tenöre erklingen mit ihren langangehaltenen Tönen wohllautend, die Bässe sind auch noch in den Tiefen angenehm rund. Die Baßstimme von Florian Sempey (Pollux) ist genau fokussiert, die vielen tiefen Stimmführungen bewältigt er kunstgerecht. Colin Ainsworth (Castor) ist ihm in der Intensität der Darstellung und der Artikulation ein ebenbürtiger, vielleicht sogar überlegener Partner. Sein hoher Tenor kann er ebenso sanft wie durchdringend führen, ohne ihn je zu forcieren.

Schon mit Tristes apprêts, pâles flambeaux – fahle Fackeln der Trauer ruft Emanuelle de Negri (Télaïre) mit ungemein leuchtender Sopranstimme Begeisterung hervor. Dazu wird ihre Arie von einer sanften Fagottstimme untermalt, die allein schon der Bewunderung wert ist. Clémentine Margaine (Phébé) hat einen voluminösen Alt, der auch größere Kathedralen ausfüllen könnte. Vielleicht ist es ihrer Jugend geschuldet, daß sie ihre Stimme an wenigen Stellen etwas zu stark forciert. Dennoch beeindruckt sie mit viel Leidenschaftlichkeit. Auffallend und durchaus ungewöhnlich ist, daß auch die Nebendarsteller wie Philippe Talbot (Athlet/Merkur) und Virgile Ancely (Hohepriester) oder Sabine Devieilhe (Cléone/ein Schatten/Hebes Vertraute) ungemein gekonnt ihre Stimmen einsetzten. Vor allem Philippe Talbot fiel mit der Arie Éclatez, fières trompettes – schmettert, stolze Trompeten auf, wobei er nicht nur die Koloraturen präzis geläufig hören läßt, sondern auch von einem ausgezeichneten Solisten begleitet wird.

Mit weißem Schillerkragen erschien, schlank und hochaufgeschossen, Christian Immler (Jupiter) (schon die äußere Erscheinung beeindruckt) und wendet sich mit rundem, wohllautendem Baß souverän und sehr männlich zu seinen Söhnen: Tant de vertus doivent prétendre au partage de nos autels – soviel Tugend darf beanspruchen, unsere Altäre zu teilen (letzte Szene). Der ungemein homogene Chor zeigt mit atemberaubender Virtuosität seinen jeweiligen Part im Verlauf der Handlung. Mit dem ausgedehnten Tanz (hier fehlt natürlich das Ballett) verabschiedet sich das großartige Orchester und die in Stimmen und leidenschaftlicher Darstellung völlig gleichwertigen Solisten.

Fazit

Ein unvergeßlicher Abend mit Sängern und Instrumentalisten höchsten Niveaus sowie dem überaus souveränen Dirigenten Raphaël Pichon. Das Publikum übertraf sich an Applaus und Bravorufen. Beaune ist in der nicht kleinen Zahl der Festivals mit barocker Musik wohl eins der wichtigsten und übertrifft mit seinem exquisiten Programm (Anne Blanchard) wahrscheinlich die meisten.

Dr. Olaf Zenner

Bild: Ae Lee Kim

Das Bild zeigt: Raphaël Pichon (mit Weißem Hemd), Chor und Orchester Pygmalion und die Solisten

Veröffentlicht unter Featured, Internationales Barock-Opernfestival, Beaune