DIE HUGENOTTEN – Nürnberg, Staatstheater

von Giacomo Meyerbeer (1791-1864), Oper in 5 Akten, Libretto: Eugène Scribe, Gaetano Rossi, Emile Deschamps, UA: 29. Februar 1836 Paris, Salle de la rue Le Peletier

Regie: Tobias Kratzer, Bühne/Kostüme: Rainer Sellmaier

Dirigent: Guido Johannes Rumstadt, Staatsphilharmonie Nürnberg, Chor des Staatstheaters Nürnberg mit Gästen, Choreinstudierung: Tarmo Vaask

Solisten: Leah Gordon (Marguerite de Valois), Hrachuhi Bassenz (Valentine), Judita Nagyova (Urbain), Uwe Stickert (Raoul de Nangis), Randall Jakobsh (Marcel) Nikolay Karnolsky (Graf von Saint-Bris) Martin Berner (Graf von Nevers) u.a.

Besuchte Aufführung: 15. Juni 2014 (Premiere)

Staatstheater Nürnberg Spielzeit 2013/2014Kurzinhalt

Der katholische Graf von Nevers feiert auf seinem Schloß den Vorabend seiner Hochzeit mit Valentine, wozu er den Hugenotten Raoul de Nangis eingeladen hat. Während des Fests erhält Raoul einen Brief. Dieser stammt von Marguerite der Valois, deren Ziel es ist, Raoul mit Valentine de Saint-Bris zu verloben, in der Absicht, einen Hugenotten mit einer einflußreichen katholischen Familie zu verbinden, um damit die herrschend religiöse Zwietracht zu entschärfen. Doch Raoul lehnt die Verlobung ab, da er Valentine (sie hatte noch während des Fests ihre Verlobung mit Nevers gelöst) für eine vermeintliche frühere Geliebte von Nevers hält. Darüber ist Graf de Saint-Bris, Valentines Vater, so erbost, daß er die Beleidigung durch ein Duell mit Raoul sühnen will. Unterdessen werden alle vom König nach Paris gerufen. Dorthin eilen auch Raoul und sein Diener Marcel. Doch der Religionsstreit der Hugenotten und Katholiken entlädt sich in einer Katastrophe: die Katholiken überfallen die Hugenotten im Schlaf und töten alle, auch Raoul und Valentine.

Aufführung

Die komplexe Handlung findet in einem heutigen Künstleratelier mit Blick über die Innenstadt von Paris statt. Das Atelier ist ein kahler, großer, etwas schmuddeliger Beton-Raum mit einer Fensterfront im rückwärtigen Bereich. Direkt daneben befindet sich eine große grüne Feuerschutztür, halblinks davor eine Küchenzeile, genutzt als Lager für Mal-Utensilien. Der Maler, Graf von Nevers, in Trainingsjacke und Turnschuhen malt ein großes Schlachtengemälde. Da werden plötzlich die Gestalten lebendig und steigen aus dem Bild. Und nach und nach kleiden sich alle Personen auf der Bühne in historische Gewänder, beschwören die Bartholomäusnacht herauf und entzünden nächtliche Feuer über dem heutigen Paris. Da halten auch die Gargouilles von Notre Dame sich nicht zurück und klettern durch das Fenster – auch der Glöckner hat dabei seinen Auftritt. Dagegen wirkt Marguerites Auftritt auf einem Kaltblüter sehr versöhnlich.

Sänger und Orchester

Man muß dem Staatstheater Nürnberg attestieren, daß ihm eine überzeugende Besetzung auf hohem sängerischem Niveau gelungen ist. Eine wahre Starbesetzung ist Uwe Stickert als Raoul de Nangis. Mehrfach klettert der Spezialist fürs schwere französische Tenor-Fach mit halsbrecherischen, aber sicher gemeisterten Wechseln zwischen Kopf- und Bruststimme bis zum hohen Des – und entfacht wahre Begeisterungsstürme. Hrachuhi Bassenz ist die begehrenswerte Valentine. Ihr schwerer und eloquenter Koloratursopran hat an Ausdruckskraft enorm gewonnen, wobei sie das richtige Verhältnis zwischen Kraft und Strahlglanz für diese anspruchsvolle Partie gefunden hat. Das bekannte Liebesduett Tu l’as dit Oui!, tu m’aimes – Du hast ja gesagt, du liebst mich wird zum umjubelten Beweis. Leah Gordon (Marguerite) ist die würdige Grande-Dame und Strippenzieherin. Ihr sehr verspielter Sopran verfügt über eine warme und lyrische Stimme. Technisch sauber gestaltet sie die leuchtend hohen Lagen – auch wenn man ihr an manchen Stellen weniger Tremolo wünscht. Randall Jakobsh ist ein durchschlagsstarker Baß-Bariton, für die Gestaltung des Kammerdieners Marcel fehlt ihm jedoch der Wohlklang in der Stimme – zumal der eisenharten Stimme am Ende die Kraft ausgeht. Das Gegenbeispiel ist Nicolai Karnolsky, der über die richtige, in der Tiefe sicher aufgestellte, markige Baß-Stimme verfügt, um dem Grafen von Saint-Bris einen abgrundtiefen Charakter zu verleihen. Martin Berners zeigt einen hell timbrierten Bariton, der in der Rolle des Graf von Nevers leuchten kann. Judita Nagyová hat die passende kindlich naive Stimme für den dienstbaren Geist Urbain. Den hohen Ansprüchen dieser Oper an den Chor, als „Stimme des Volkes“, wird der Chor gerecht. Bestechend auch die Präzision mit der der Chor von Tarmo Vaask zusammen geführt wurde. Leider kann die Orchesterleistung hier nicht mit dem Solistenensemble oder dem Chor mithalten. Zu fahrig wirken die Melodien, zu romantisch geprägt der Klang, und das Orchester erreicht unter Guido Johannes Rumstadt nicht die vorgesehene große Wirkung. Vielleicht sollten manche Striche, gerade in den Aktschlüssen, musikdramatisch überprüft werden.

Fazit

Es ist sehr problematisch eine Oper, die an einem konkreten Datum wie der Bartholomäusnacht spielt, in die heutige Zeit zu verlagern. Und der Ansatz, den Graf von Nevers als heutigen Maler zu zeigen, der sich die Szenen erträumt, obwohl er sowohl Beobachter als auch Handelnder ist, verwickelt die Handlung in Widersprüche. Darüber hinaus wird die Handlung durch die Striche verfremdet – es fehlt eine Stunde Musik, zwei Bilder und einige Aktschlüsse. Verhaltener Applaus für das Regie-Team, sängerisch hingegen ist die heftig umjubelt gefeierte Produktion ein deutlicher Beweis, daß Meyerbeer auch heute noch einen Platz im Opernrepertoire beanspruchen sollte.

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah

Das Bild zeigt: Leah Gordon (Marguerite de Valois) und (liegend) die ermordeten Hugenotten, davor stehend, Uwe Stickert (Raoul de Nangis) als Maler

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