Chemnitz, Städtisches Theater – FAUST (MARGARETHE)

von Charles Gounod (1818-1893), Oper in sechs Bildern (Neuausgabe: Fritz Oeser), Libretto: Jules Barbier und Michel Carré nach Goethe
UA: 19. März 1859, Paris
Regie/Bühne: Jakob Peters-Messer, Bühne/Kostüme: Markus Meyer, Dramaturgie: Andreas Beuermann
Dirigent: David Marlow, Robert-Schumann-Philharmonie, Chor und Extrachor Chemnitz
Solisten: Stanley Jackson (Faust), Judith Kuhn (Margarethe), Kouta Räsänen (Mephistopheles), Lee Poulis (Valentin), Jana Büchner (Siebel), Monika Straube (Marthe Schwerdtlein), Martin Gäbler (Wagner), u. a.
Besuchte Aufführung: 7. März 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
chemnitz-faust.jpgDer lebensmüde Wissenschaftler Faust schließt einen Pakt mit Mephistopheles: Ewige Jugend zum Preis seiner Seele. Die Vision der schönen Margarethe führt zur schnellen Unterzeichnung des Vertrages. Im städtischen Treiben begegnet Faust seiner Angebeteten, deren Bruder Valentin in den Krieg ziehen muß und welcher Siebel, der ebenfalls in Margarethe verliebt ist, beauftragt, auf sie acht zugeben. Mephistopheles hilft Faust, den Nebenbuhler mit wertvollem Schmuck für seine Geliebte auszustechen. Es kommt zur Liebesnacht von Margarethe und Faust. Monate später ist Margarethe schwanger und von Faust verlassen. Sie wird von ihrem Bruder verflucht, der im Kampf durch Mephistopheles’ Zauberkraft tödlich verletzt wird. Die Visionen ihres toten Bruders beim Gebet in der Kirche treiben Margarethe in den Wahnsinn. Faust hingegen erlebt die rauschende Walpurgisnacht mit Mephistopheles. In einer Vision begegnet Faust reumütig seiner inhaftierten Geliebten, die im Wahn ihr Kind getötet hat. Diese jedoch erkennt Faust nicht und weist ihn ab. Für Mephistopheles gilt sie als verloren, jedoch künden Ostergesänge ihre Erlösung und Erhebung in den Himmel an.
Aufführung
Das Stück ist ausstattungstechnisch ganz in der heutigen Zeit angelegt. Die Bühnenszenerie wird dabei in allen Bildern von einer wuchtigen, von oben herabhängenden Stellwand eingenommen, die schräg nach hinten ausläuft. Sie ist von einer kreisrunden, mit Glühlampen ausgestatteten Öffnung durchbrochen. Die Konstruktion dient unter anderem als Visionsfenster, in dem Margarethe erscheint oder durch die Mephistopheles Zauberutensilien herabschweben, wie z.B. eine rote Einkaufstüte mit Schmuck oder auch eine Pudel-Leuchtreklame. Im letzten Bild senkt sich die Wand über Margarethe und erhebt sie so symbolisch in den Himmel, während der Chor seitlich in den Zuschauerraum tritt und den Osterchoral anstimmt. Der rhythmische Wechsel der Bilder, wie z. B. von einer kargen Wissenschaftlerstube mit nur zwei Stühlen im ersten Bild, zum Konsumtreiben mit schriller Leuchtreklame und sich drehendem, überlangen Ladentisch des Warenkaufhauses im zweiten Bild, zur heilen Welt mit Plüschtiersofa im dritten Bild, wird nachvollziehbar umgesetzt. Verkäuferinnen, wie Margarethe, in moderner Ladenmontur, bedienen die Kassen an der überdimensionalen Ladentheke und Banker in steifen Anzügen bevölkern die Bühne. Auch Faust und Mephistopheles, geschminkt wie Joker aus einem Batman-Film, sind in trendigen Turnschuhen ganz Teil dieser modernen Bühnenwelt.
Sänger und Orchester
Allen voran ist Kouta Räsänens (Mephistopheles) grandiose Leistung zu würdigen. Er füllt seine Rolle, gesanglich zur Höchstform auflaufend, mustergültig aus und sein nuancenreiches Schauspiel zwischen ironischem Witz und verschlagener Verführung, jedoch ohne zwanghafte Affektiertheiten, setzt Maßstäbe. Judith Kuhn (Margarethe) überzeugt mit solider gesanglicher Leistung, wie etwa bei der Ballade König von Thule im zweiten Bild und steigert sich erheblich zum letzten Bild hin. Ihre dramatische Darstellung des Wahns im Abschlußbild, in Gesang und Schauspiel, ist überragend und fordert die zum Zerreißen gespannten Nerven. Auch Stanley Jackson (Faust) wird gesangstechnisch seiner Rolle gerecht, wenn er auch gesanglich teilweise noch Reserven erkennen läßt. Mit Lee Poulis (Valentin) zeigt sich neben dem Mephistopheles eine weitere Idealbesetzung, mit ausdrucksstarkem, unangestrengtem und vollem Gesang. Auch Jana Büchner (Siebel) weiß wieder einmal mit lupenreiner Intonation zu überzeugen. Selbst die kleineren Partien sind mit Monika Straube (Marthe Schwerdtlein) und Martin Gäbler (Wagner) gesanglich überdurchschnittlich besetzt. David Marlow führte die Robert-Schumann-Philharmonie sicher durch die intimen, lyrisch-feinsinnigen, sowie dramatisch bewegten Abschnitte des Stückes und setzte an diesem Abend musikalisch einige Glanzpunkte, wie auch der Chor und Extrachor der Oper Chemnitz, die grundlegend zu überzeugen wußten.
Fazit
Die Inszenierung sorgte für eine dramatische Sogtiefe zwischen bewegenden Massenszenen und kammerspielartigen Bildern. Die gesanglichen und musikalischen Leistungen aller Beteiligten waren teilweise überragend, wobei insbesondere Kouta Räsänens grandioser Mephistopheles noch lange in Erinnerung bleiben wird. So wurde der rundherum gelungene Abend völlig zu Recht mit Bravorufen und lang anhaltendem Applaus quittiert. Mehr davon!
Dr. Andreas Gerth

Bild: Dieter Wuschanski
Das Bild zeigt: Kouta Räsänen (Mephistopheles) und Stanley Jackson (Faust).

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