DAS RHEINGOLD – Leipzig, Oper

von Richard Wagner (1813–1883), Libretto vom Komponisten, Vorabend zum Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen, UA 1869 München, Hoftheater
Regie: Rosamund Gilmore, Bühne: Carl Friedrich Oberle, Kostüme: Nicola Reichert, Dramaturgie: Christian Geltinger
Dirigent: Ulf Schirmer, Gewandhausorchester, Tanzensemble
Solisten: Tuomas Pursio (Wotan), Michael Kraus (Donner), James Allen Smith (Froh), Thomas Mohr (Loge), Stephan Klemm (Fasolt), James Moellenhoff (Fafner), Jürgen Linn (Alberich), Dan Karlström (Mime), Karin Lovelius (Fricka), Sandra Trattnigg (Freia), Nicole Piccolomini (Erda), Eun Yee You (Woglinde), Kathrin Göring (Wellgunde), Sandra Janke (Flosshilde)
Besuchte Aufführung: 4. Mai 2013 (Premiere)

Kurzinhalt
Auf dem Grund des Rheines vergnügen sich die Hüterinnen des Rheingoldes, bis der Nibelungenzwerg Alberich auftaucht und verspottet wird. Der Abgewiesene rächt sich durch den Raub des Schatzes. In Bergeshöhen haben die Götter Wotan und Fricka sich von den Riesen Fasolt und Fafner eine Burg bauen lassen. Als Lohn ist Freia versprochen, die den Göttern ewige Jugend verleiht. Der listige Loge überzeugt die Riesen davon, daß Macht höheren Wert besitzt als Liebe. Wotan und Loge steigen nach Nibelheim hinab, um Alberich das Rheingold zu rauben. Dieser hat sich von Mime Ring und Tarnhelm zur Herrschaft über die Welt schmieden lassen. Es gelingt den Göttern, Alberich zu entmachten. Dieser verflucht den Ring, den Wotan den Riesen übergibt. Aus Gier erschlägt Fafner seinen Bruder. Über einen Regenbogen schreiten die Götter der Walhalla zu. Aus der Tiefe dringt die Klage der Rheintöchter.

Aufführung
Im Hintergrund der Einheitsbühne eine Freitreppe, in der Mitte eine Säule mit Nische für Goldschatz und Miniatur-Walhalla. Umrahmt von Mauern mit viel Patina und Rasen, auf verpackten Möbeln sitzend, blickt der Götterclan auf die neue Burg. In hohen Palastbögen beidseits der Bühne ruft Donner seine Elemente herbei, malt Froh den Regenbogen, der als Neonleuchte unter der Decke strahlt. Szenen und Übergänge gestaltet und kommentiert ein Tanzensemble. Die Kostüme entsprechen der Mode der Wagnerzeit: Wotan in Generalsmantel, Fricka im steifen Stehkragenkleid, Freia in pastellfarbenem Tüll, Donner und Froh, in grauer Arbeitsmontur die Nibelungen. Die Tänzer wandeln sich von Eis zu Feuer, von Riesenschlange zu Archaeopteryx.

Sänger und Orchester
Das Gewandhausorchester stellte unter GMD Ulf Schirmer beeindruckend unter Beweis, was aus der Partitur des Rheingoldes herauszuholen ist. Durchgehend spannungsgeladen und dynamisch ließ Schirmer das Orchester gewaltig aufbrausen, gleichzeitig wurde sehr maßvoll und in Einklang mit den Sängern gespielt. Mit hoher Präzision und in leuchtenden Klangfarben stellten Stimmgruppen und Instrumentalsolisten klar und plastisch die Motive heraus. Fließend und weich die Brechungen des Rheinstromes, häßlich verzerrt das Pakt-Motiv, im feierlichen Wohlklang der Bläser das Burgmotiv, zart-lyrisch das Freia-Motiv und energisch-rhythmisch das der Nibelungen.
Diese Glanzleistung wurde abgerundet durch ein bemerkenswertes Aufgebot an Gesangsvirtuosen. Die Rheintöchter Eun Yee You (Woglinde), Kathrin Göring (Wellgunde) und Sandra Janke (Floßhilde), allesamt Ensemblemitglieder, bildeten in der Anfangsszene ein harmonisches Trio, stimmlich verführerisch agil, darstellerisch hingegen leicht hölzern und aufgereiht. Hohen Unterhaltungswert bot die abgehalfterte Schar der Götter. Angefangen beim, der Familie distanziert gegenüber stehenden Halbgott Thomas Mohr (Loge), der den schönsten Partien mit reicher Klangfarbe große Strahlkraft verlieh. Ideal besetzt in ihrer Gegensätzlichkeit waren Karin Lovelius (Fricka) und ihre göttliche Schwester Sandra Trattnigg (Freia), die mit scheinbar müheloser Präzision und brillantem Sopran frisch und begehrlich sang. Tuomas Pursio (Wotan) stellte mit klangvollem Bariton und gekonnter Ausdrucksgestik einen reizvollen Sippenchef dar. Es fehlte jedoch zuweilen an Durchsetzungskraft gegenüber dem Orchester. Gewaltige Auftritte lieferten der strahlend blonde Heldentenor James Allen Smith (Froh) und Bariton Michael Kraus (Donner). Partien wie Schwüles Gedünst schwebt in der Luft führten sie souverän mit hoher stimmlicher Präsenz aus. Ein weiterer musikalischer und dramatischer Höhepunkt war die unterirdische Nibelheim-Szene. Zu eingespielter Maschinenmusik, die das Orchester rhythmisch aufgriff und in das Nibelungenmotiv verwandelte, tanzte das schwarz-konturierte Zwergenvolk in rot-vernebelter Unterwelt wie ein Hammer auf und ab. Baß-Bariton Jürgen Linn (Alberich) verkörperte seine Rolle beeindruckend und sang Bin ich nun frei? gekonnt zwischen tobend und tonlos, ohne in pure Deklamation zu verfallen. Ihm zur Seite stand Dan Karlström (Mime), ein virtuoser Tenor und darstellerisch überaus eloquent. Mit lyrischem Baß verkörperte Stephan Klemm (Fasolt) einen sehr menschlichen, liebenden Riesen. In der Rolle der Urmutter gemahnte Gastsängerin Nicole Piccolomini (Erda) mit warmem Mezzosopran und dunklem Timbre Weiche, Wotan, weiche!

Fazit
Das Leipziger Premierenpublikum bejubelte eine Inszenierung, die an die Wagner-Tradition des Hauses anknüpfte und sich weitgehend an die Vorlage hielt, die auch die humoristischen Züge des Stückes herausstellte, ohne ins Lächerliche abzugleiten. Dramaturgisch und musikalisch wurde viel Abwechslung geboten, nicht zuletzt durch die Hinzunahme eines Tanzensembles, das, in der Rheinszene noch etwas deplaziert, Handlung und Szenen zunehmend phantasievoll ausgestaltete.

Norma Strunden
Bild: Tom Schulze
Das Bild zeigt: Tuomas Pursio (Wotan), Stephan Klemm (Fasolt), Sandra Trattnigg (Freia), James Moellenhoff (Faffner), Thomas Mohr (Loge)

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