LA GIOCONDA – Paris, Opéra Bastille

von Amilcare Ponchielli (1834-1886), Melodramma in 4 Akten, Libretto: Tobia Gorrio (Pseudonym Arrigo Boito), nach dem Darma: Angelo, tyran de Padoue (1835) von Victor Hugo, UA: 18. April 1876, 5. Fassung (hier aufgeführt): 12. Februar 1880 Mailand, Teatro alla Scala

Regie/Bühne/Kostüme: Pier Luigi Pizzi, Assistenz: Roberto M Pizzuto, Isabelle Cardin u.a., Licht: Sergio Rossi

Dirigent : Daniel Oren, Orchestre de l’Opéra national, Maîtrise des Hauts-de-Seine/Kinderchor der Oper, Choreinstudierung: Patrick Marie Aubert, Choreographie: Gheorghe Iancu

Solisten: Violeta Urmana (La Gioconda), Luciana D’Intino (Laura Adorno), Orlin Anastassov (Alvise Badoero) María José Montiel (La Cieca) Marcelo Alvarez (Enzo Grimaldo) Claudio Sgura (Barnaba)

Besuchte Aufführung: 2. Mai 2013, Premiere  (Coproduction Gran Teatre del Liceu, Barcelone und Teatro Real de Madrid)

Vorbemerkung

La Gioconda war Ende des 19. Jahrhunderts sehr bekannt, eine Grand Opéra mit wirkungsvollen Chören sowie Tänze und Kontrasten, die Fröhlichkeit und Trauer zeigen. Es ist eine der letzten romantischen Opern, bevor der Verismus aufkam. Ein starkes religiöses Motiv und die Tochter-Mutter Beziehung sind prägende Elemente dieser Oper. Die Dramaturgie zielt auf die Allmacht der Affekte (Haß, menschliche und göttliche Liebe). Das private Geschehen wird nachvollziehbar durch die venezianische Umgebung wie dem zeitlichen Bezug. Eine Besonderheit bildet der Tanz der Stunden, die Walt Disney 1940 im Film Fantasia zeigte.

Kurzinhalt

Die Sängerin La Gioconda (Die Heitere) liebt vergeblich Enzo, der seinerseits Laura liebt. Diese ist allerdings mit dem venezianischen Staatsinquisitor Alvise Badoero verheiratet. Barnaba ist Spitzel des Zehnerrats von Venedig und Werkzeug Alvises. Er hetzt das Volk gegen La Cieca, die Mutter von La Gioconda, auf. Laura rettet die Blinde (La Cieca), die ihr daraufhin ihren Rosenkranz schenkt. Da La Gioconda Laura an dem Rosenkranz ihrer Mutter erkennt, entsagt sie ihrer Liebe zu Enzo und rettet Laura. Lauras Mann Alvise zwingt diese, einen Gifttrank zu nehmen, da er von ihrer Liebe zu Enzo erfahren hatte. Doch La Gioconda überreicht ihr heimlich einen Tiefschlaftrunk, so daß Alvise sie für tot hält. Freunde bringen die schlafende Laura zu La Gioconda. Enzo findet sie hier, und Laura und er können fliehen. Da erscheint Barnaba. Doch bevor er La Gioconda in Besitz nehmen kann, nimmt sie sich das Leben. Mit einem Wutschrei Barnabas, er habe ihre Mutter ertränkt, endet die Oper.

Aufführung

Über die ganze Breite der Bühne ziehen sich zwei parallele Kanäle, in denen, der Szene entsprechend, Barken  und Boote auftauchen. Über diese Kanäle spannen sich zwei hohe Brücken, die man auf Stufen – wie man sie aus Venedig kennt –  ersteigen kann. Der zweite Akt spielt laut Libretto „auf einer einsamen Insel“. Die Bühne zeigte, etwas desillusionierend, die beiden Kanäle. Auf dem hinteren Kanal liegt ein Schiff mit blutroten Segeln, das später in Flammen untergeht. Der Festsaal Alvises im Ca‘ d‘Oro (Venedig) zeigt ein Katafalk an der Rampe, auf der die scheintote Laura aufgebahrt liegt. Nach hinten eine riesige Treppe, auf der der Tanz der Stunden aufgeführt wird. Im letzten Akt steht vor einigen Toskana-Zypressen eine Bare, auf der Laura aus ihrem Tiefschlaf erwacht.

Die Kostüme der Venezianer changieren zwischen tiefrot, schwarz und grau (s. Abb.). Sind sie grau, tragen die Personen rote Handschuhe. Die aus der Commedia dell’Arte entstammenden Personen sieht man in ihren typisch buntgescheckten Kostümen. Das langwallende Kostüm von La Gioconda ist von blauer Farbe, das von Laura zeigt blendendes Weiß, La Cieca ist schwarz verhüllt. Alvise trägt ein leuchtend rotes Gewand, Enzo eine Lederjacke und der Bösewicht Barnaba zeigt sich in enganliegender tiefschwarzer Kleidung.

Sänger und Orchester

Zweifellos ist es keine Kleinigkeit für ein Opernhaus, sechs anspruchsvolle Sängerrollen adäquat zu besetzen. Das aber ist der Pariser Nationaloper über die Maßen gelungen. Claudio Sgura (Barnaba), gelingt  mit tiefer, leider etwas belegter Stimme, den Bösewicht (Vorläufer des Jago aus Otello) einigermaßen gut darzustellen. Sein Kontaktmann zum Rat der Zehn, Orlin Anastassov (Alvise), kann mit seiner einzigen Arie La turbini e farnetichi – dort mag die heitere Feier das Publikum begeistern. María José Montiels (La Cieca)  Figlia, che reggi il tremulo pie – Tochter, die du meine schwankende Schritte leitest zum Opernbeginn, vorgetragen mit großvolumigem Mezzo und samtener Lyrik, öffnet die Herzen der Opernbesucher. La Giocondas umfangreiche Rolle zeigt Violeta Urmanas große Gesangskunst in einmaliger Höhe, wenn auch ab und zu ihre Spitzentöne zu forciert klingen. Ihrer Gegnerin und schließlich Schützling, Luciana D’Intino als Laura Adorno, beweist, daß die italienischen Sopranistinnen immer noch zur Weltklasse des Gesangs zu zählen sind. Schließlich vermittelt Marcelo Alvarez als Enzo Grimaldo einen Sänger, der mit seiner offenen, lyrischen Tenorstimme im Cielo e mar – Himmel und Meer  unbedingt seinen Rang als einer der besten Tenöre unserer Zeit beweist. Frenetischer Beifall. Die fast in jeder Oper des 19. Jahrhunderts anzutreffenden Tänze sind hier, mit dem Tanz der Stunden, vorzüglich durch das Ballett der Pariser Oper aufgeführt. Angeführt von dem Solistenpaar, Letizia Giuliani und Angel Corella, ist es absolut eine Augenweide und wird vom Publikum überschwenglich gefeiert.

Fazit

Ein Abend sängerischer Höchstleistungen! Wenn die „Illusion der einsamen Insel“ im zweiten Akt ein wenig besser gelungen wäre, hieße das: auch eine „autorengerechte“ Inszenierung. In Paris sind offensichtlich Operndarstellungen möglich, die in Deutschland kaum zu finden sind.

Dr. Olaf Zenner

Bild: Andrea Messana

Das Bild zeigt: Orlin Anastassov (Alvise Badoero) von hinten und das „Volk“ (Ensemble)

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