Mannheim. Nationaltheater – DER WILDSCHÜTZ ODER DIE STIMME DER NATUR

Text von Albert Lortzing, komische Oper in drei Akten, Dialoge von Roland Quitt
UA: 31. Dezember 1842, Leipzig.
Regie: Gabriele Rech, Bühne/Kostüme: Sandra Meurer, Dramaturgie: Roland Quitt
Dirigent: Richard Wien, Chor: Tilman Michael; Orchester, Chor und Kinderchor des Nationaltheaters Mannheim
Solisten: Stephan Klemm (Baculus), Katharina Göres (Gretchen), Lars Moller (Graf von Eberbach), Carsten Süß (Baron Kronthal), Katja Plessing (Gräfin), Marina Ivanova (Baronin Freimann), Johannes Wimmer (Pancratius), Hannah Zitzmann (Nanette) u.a.
Besuchte Aufführung: 6. Dezember 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
mannheim-wildschutz.jpgBaculus hat sich von seinem zukünftigen Gretchen überreden lassen, zu ihrer beider Verlobung einen Rehbock zu schießen. Da er im Jagdrevier seines Arbeitgebers, dem Grafen von Eberbach, erwischt wurde, muß er um seinen Beruf als Schulmeister fürchten. Seine einzige Möglichkeit ist, die Schwäche des Grafen für Frauen auszunutzen. Zufällig ist sich zum gleichen Zeitpunkt die Baronin Freimann, die Schwester des Grafen, zugegen. Als Student verkleidet reist sie unerkannt durchs Land, um ihren Zukünftigen, den Baron Kronthal zu begutachten. In Absprache mit dem Schulmeister und seiner Braut soll sie – verkleidet als Gretchen– beim Grafen für den Baculus vorsprechen. Baron Kronthal ist zufälligerweise ebenfalls am Hof des Grafen. Auch er ist verkleidet – als Stallmeister des Grafen. Bei der Ankunft der verkleideten Baronin sind sowohl der Graf als auch der verkleidete Baron sofort hin und weg. Da sich der Baron tatsächlich in Baculus’ Braut verliebt, zahlt er dem Schulmeister eine Abfindung von 5000 Talern, um die verkleidete Baronin selbst heiraten zu können.
Am Ende fallen die Masken und alle bleiben überraschend schuldlos, sogar der Baculus.
Aufführung
Der Regisseurin Gabriele Rech gelingt es, den traditionellen Stoff in das 20. Jahrhundert zu transferieren, so daß sich der Zuschauer in die Rollen hineinversetzen kann. In Zusammenspiel mit Bühne und Kostüm entsteht ein stimmiges Bild durch die gesamte Oper, in der vor allem Verkleidung, Verwechslung und Verstellung dominieren. Durch eine Drehscheibe, auf der verschiedene Räume aufgebaut sind, können auch große Wege dargestellt werden. Die Sänger überwinden im Stück einige Male den Orchestergraben und stellen, vor allem durch das Verteilen von Luftballons am Ende des ersten Akts, Publikumsnähe her.
Sänger und Orchester
Da es keinen richtigen Orchestergraben gibt, steht Richard Wien mit dem Orchester unter genauer Beobachtung. Wien ist dem aber allemal gewachsen. Einzig die schlechte Textverständlichkeit der Sänger trübt die ansonsten gelungene Vorstellung. Auch die vielen Rollendebüts tun dem keinen Abbruch. Im Gegenteil – sie bringen viele junge neue Sänger und damit auch viel Frische und Energie auf die Bühne. Besonders die stimmlichen Künste von Marina Ivanova (Baronin), Johannes Wimmer (Pancratius), Carsten Süß (Baron) und Lars Moller (Graf) sind zu erwähnen. Darstellerisch sticht vor allem Johannes Wimmer (Pancratius) heraus, dem seine Rolle als Diener im Frack sehr gut steht. Die Arie des Stephan Klemm (Baculus) am Ende des zweiten Akts, die er im Stil der 80er Jahre mit einem – ihm fremdartig erscheinenden – Mikrofon singt, entführt den Zuschauer auf ein Rockkonzert. Mit Bravorufen wird Stephan Klemm am Ende empfangen, der mit seinem vollen Baß während der ganzen Oper zu überzeugen weiß. Nicht nur der Chor, sondern auch die eingefügten Dialoge von Roland Quitt sorgen immer wieder für Lacher.
Der Chor, unter Leitung von Tilman Michael, schafft es, eine gute Mischung zwischen gesanglicher Kunst und darstellerischem Witz herzustellen. Richard Wien hat beim Schlußbild die große Aufgabe, alle Sänger, den Chor, das Orchester und den Kinderchor zusammen zu bringen, welche er jedoch souverän meistert.
Fazit
Ist es eine Oper oder durch seine vielen gesprochenen Dialoge ein Theaterstück? Genau das ist eine Opera buffa, d.h. komische Oper. Mit einem Schuß noch während der Ouvertüre gelingt ein fulminanter Start. Assoziationen mit Elvis Presley und John Travolta ziehen sich durch das gesamte Stück und verpacken einen schon fast 200 Jahre alten Stoff gekonnt ins Moderne. Diese gelungene Inszenierung mit viel Liebe zum Detail verschafft sowohl langjährigen Operngängern als auch Opernanfängern bzw. Operneinsteigern einen unterhaltsamen Abend.

Sonja Olsen

Bild: Christian Kleiner
Das Bild zeigt den Baculus (Stephan Klemm).

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