Berlin, Deutsche Oper – TANNHÄUSER ODER DER SÄNGERKRIEG AUF WARTBURG

(Dresdner Fassung)
von Richard Wagner (1813 – 1883), Romantische Oper in drei Aufzügen, Text vom Komponisten,
UA: 1845 Dresden
Regie: Kirsten Harms, Bühne/Kostüme: Bernd Damovsky, Dramaturgie: Andreas K. W. Meyer
Dirigent: Ulf Schirmer, Orchester der Deutschen Oper Berlin, Chor der Deutschen Oper Berlin
Einstudierung: William Spaulding
Solisten: Torsten Kerl (Tannhäuser), Reinhard Hagen (Landgraf Hermann), Nadja Michael (Venus und Elisabeth), Markus Brück (Wolfram von Eschenbach), Clemens Bieber (Walther von der Vogelweide), Lenus Carlson (Biterolf), Jörg Schörner (Heinrich der Schreiber), Jörn Schümann (Reinmar von Zweter), Heidi Stober (Hirt)
Besuchte Vorstellung: 30. November 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
deutsche-oper-berlin-tannha.jpgDer Sänger Tannhäuser hat lange Zeit im Venusberg zugebracht, dem legendären Zufluchtsort der antiken Liebesgöttin im Mittelalter. Der permanenten Ekstase überdrüssig teilt ihr Tannhäuser durch ein Lied mit, daß er beschlossen hat, sie zu verlassen. Seine Rückkehr in die irdische Welt wird von ihrem Fluch begleitet, der seine Wirkung nicht verfehlt. Von seinen Freunden und künstlerischen Konkurrenten wird er überredet, an seine alte Wirkungsstätte, die Wartburg, zurückzukehren, um dort für Elisabeth, die ihm in stiller Zuneigung ergeben ist, zu singen. Während eines Wettsingens erwähnt er jedoch seinen Aufenthalt im Venusberg, und nur dank des Eintretens Elisabeths darf er sein Leben behalten unter der Bedingung, nach Rom zu pilgern und für seine Verfehlung beim Papst um Absolution zu bitten. Der verweigert sie ihm und überantwortet Tannhäuser der ewigen Verdammnis, vor der ihn das selbstlose Opfer Elisabeths rettet.
Inszenierung
Um die Inszenierung gerecht zu beurteilen, muß eines vorweg hervorgehoben werden: Kirsten Harms hat sich des Wagnerschen Stoffes mit großem Respekt angenommen, Bühne und Kostüme bedienen sich einer historischen, d.h. mittelalterlichen Bildwelt, die Choreographie und Lichtregie sind sehr genau auf die Musik abgestimmt, so daß die hohen musikalischen Anforderungen des Werkes nicht noch zusätzlich durch die Regie erschwert werden. Diese handwerklich solide gearbeitete Inszenierung unterscheidet sich durchaus wohltuend von den zahlreichen Regietheaterexperimenten, für die Wagners Werke schon seit langem eine dankbare Unterlage bieten, und zwängt dem originalen Stoff keine fremde Botschaft auf. Dennoch war das Publikum nicht vollauf begeistert, möglicherweise weil punktuelle Eingriffe in das Wagnersche Textbuch vorgenommen wurden, die sich zum Teil als nachteilig herausstellen.
Beispielsweise wurden beide weiblichen Solopartien von einer Sängerin übernommen. Das sorgte für vorhersehbare Verwirrung vor allem am Schluß der Oper, denn es blieb unklar, ob Venus und Elisabeth nun als zwei Seiten einer Person oder als zwei unterschiedliche Figuren zu verstehen sein sollen; lediglich nach einem Blick ins Programmheft (wer tut das schon?) erschließt sich, was damit gemeint ist.
Aufführung
Das Bühnenbild schafft eine Aura des Authentischen und läßt die Oper als Seelendrama erscheinen. Dadurch, daß die Bühnentechnik ein ständiges Verschieben in der Vertikalen simuliert, also gewissermaßen ein Hinauf- und Hinunterbewegen der Spielebene, müssen alle Auftritte der Chöre von unten erfolgen, was ermüdend wirken kann, aber auch für erstaunliche Einfälle genutzt wird, etwa, wenn die Pilger im ersten Aufzug als Büßer im Fegefeuer erscheinen – wobei dies im übrigen durch die umherschwebenden Dämonen sehr leicht mit dem Inferno verwechselt werden kann – oder wenn Tannhäuser zu den Klängen der Ouvertüre in Zeitlupe in die Tiefe fällt, hinein in ein Meer von wogenden Armen.
Sänger und Orchester
Obwohl Nadja Michael sich sehr darum bemühte, ihre beiden Rollen stimmlich zu differenzieren, wurde ihr Einsatz vom Publikum nicht belohnt, was allerdings auch daran liegen könnte, daß ihre imposanten stimmlichen Möglichkeiten durch eine recht undeutliche Aussprache beeinträchtigt werden; darstellerisch ist sie hervorragend für beide Rollen gleichermaßen geeignet.
Die männlichen Partien waren, auch in den kleinen Rollen, mit hervorragenden Sängern besetzt, z.B. mit Lenus Carlson als Biterolf. Torsten Kerl überzeugte in der Titelrolle stimmlich trotz einer Indisposition, darstellerisch allerdings nur mit Einschränkungen. Reinhard Hagen gab einen sonoren Landgraf Hermann, wenn sich bei ihm auch stellenweise technische Probleme zeigten. Markus Brücks Wolfram wurde vom Publikum überschwenglich gefeiert, wobei Ulf Schirmer, unter dessen Leitung das Orchester einen raumfüllenden, kohärenten Klang entwickelte, hier vom Tempo her sicherlich an die untere Grenze des Möglichen ging.
Fazit
Musikalisch erwarten den Zuschauer dieser Inszenierung solide Leistungen. Sie ist in jedem Fall all denen zu empfehlen, die allzu freier Interpretationen von Wagners Opern überdrüssig sind, auch wenn es einige Deutungen der Regisseurin gibt, die nicht geglückt erscheinen. Es überwiegt der Eindruck einer szenischen Umsetzung, die versucht, dem Werk gerecht zu werden.

Dr. Martin Knust
Bild: Matthias Horn, Das Bild zeigt Tannhäuser (Torsten Kerl).

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