DER FREISCHÜTZ – Coburg, Landestheater

von Carl Maria von Weber (1786-1826), Romantische Oper in drei Aufzügen. Libretto: Johann Friedrich Kind

UA: 18. Juni 1821 Berlin, Königliches Schauspielhaus

Regie: Tobias Theorell, Bühne/Kostüme: Herbert Murauer

Dirigent: Roland Kluttig, Philharmonisches Orchester, Chor und Extrachor, Choreinstudierung: Stefan Meier

Solisten: Betsy Horne (Agathe), Roman Payer (Max), Marie Smolka (Ännchen), Rainer Scheerer (Kaspar), Karsten Schröter (Kuno), Karsten Münster (Kilian),  Benjamin Werth (Ottokar), Michael Lion (Eremit, Samiel), u.a.

Besuchte Aufführung: 21. April 2012 (Premiere)

Kurzinhalt

Max, Jägerbursche des Erbförsters Kuno und Bräutigam von dessen Tochter Agathe, hat beim Schützenfest verloren. Und das bevor er am nächsten Tag den Probeschuß abgeben muß, von dem seine weitere Laufbahn, aber auch die Hochzeit mit Agathe abhängt. Der verzweifelte Max läßt sich von Kaspar überreden, von Samiel Freikugeln zu fordern, die nie ihr Ziel verfehlen. Max erhält in der Wolfsschlucht um Mitternacht sieben Freikugeln, von denen die letzte von Teufel geleitet wird. Beim Probeschuß hat Max nur noch diese letzte Freikugel übrig. Er schießt auf eine weiße Taube, Agathe schreit auf und sinkt zu Boden – jedoch nur in Ohnmacht, während Kaspar tödlich getroffen ist. Max gesteht seinen Pakt mit dem Teufel. Aber weil der Eremit für ihn bittet, muß er nur ein Probejahr bestehen, bis er Agathe heiraten darf.

Aufführung

Das Bühnenbild spielt mit einer Reihe von verschiebbaren Bühnenteilen, die sich zu einem symbolischen wie auch konkreten Raum zusammenschieben lassen Die Mitte nimmt zunächst ein Podest ein, auf dem das Schützenfest stattfindet – in folkloristischer Trachtenkleidung heutiger Mode. Max und Kaspar agieren stets ähnlich gekleidet:  grüne Jagdkleidung oder Anzug. Samiel und der Eremit unterscheiden sich nur durch das weiße Kragen-Beffchen. Die Honoratioren tragen schwarzen Cut, der Landesfürst festliche Tracht. Die beiden Seitenwände, die den Bühnenraum erweitern und verkleinern können, zieren eine Reihe von kapitalen Hirschgeweihen. Zusammen mit einem historischen Foto eines Veteranenvereins auf der Rückwand bilden sie das Forsthaus. Eine neutrale Rückwand mit großem Fenster (mit Fenster-Kreuz) bildet den Hintergrund für die Wolfsschlucht. Das Kugelgießen ist ein Zerrbild der Ängste und Hoffnungen des Max, z.B. sieht er verschleierte Bräute, die zu Tode kommen. Für den Jägerchor gibt es einen roten Zwischenvorhang, beim Probeschuß fällt Agathe blutüberströmt um. Eine peinliche Pause entsteht, bis Dirigent Roland Kluttig fordert „Zurück zu Nr. 15: Jägerchor“. Nun sehen wir den auskomponierten Schluß mit Happy End für Agathe und Max. Aber gibt es dieses Happy End wirklich? Denn im Hochzeitszug taucht Kaspar anstelle des Bräutigams Max wieder auf…

Sänger und Orchester

Die Grande Dame des Abends ist unstrittig Betsy Horne als Agathe. Ihre Ausdruckskraft in den dramatischen Momenten hat noch zugenommen, in den lyrisch verhaltenen Passagen glänzt sie mit Technik. Nicht überraschend, daß sie das Leise, Leise, fromme Weise weniger nachdenklich als zupackend gestaltet. Publikumsliebling wird jedoch Marie Smolka als Ännchen, denn mit ihrem hohen hellen Timbre mit exakter Intonation, die in den strahlenden Koloraturen herauskommen, weiß sie die Zuhörer zu bezaubern. An mancher Stelle wünscht man ihr jedoch etwas mehr Tiefe. Roman Payer als ihr geliebter Max verfügt über eine harmonisch leuchtende baritonale Mittelage, aus der heraus er sich in die höchsten tenoralen Höhen aufschwingt. Rainer Scheerer als sein Gegenspieler Kaspar zeigt nicht nur eine überzeugende schauspielerische Darstellung dieser vielschichtigen Gestalt, er kann dies auch mit stimmlichen Mitteln darstellen, wenn er seine Stimme an der Grenze zwischen Dramatik, Überschnappen und Sprechgesang führt. Hier im ird’schen Jammertal ist ein Beispiel für diese Feinheiten der Grenzgestaltung. Michael Lion, der Haus-Baß, findet in der Doppel-Rolle als Samiel und Eremit wieder mit tiefer sonorer und raumfüllend wohlklingender Stimme die passenden Mittel – auch für die Sprechrolle des Samiels. Bestens eingestellt der Chor, der den bekannten Jägerchor im schönsten Forte schmettern darf – gerne auch zweimal. Bei Roland Kluttig ist Webers Vorstellung von Romantik in den besten Händen. Die immer wiederkehrende Dynamik zwischen laut und leise, langsam und schnell, anschwellend und abschwellend versteht er mit äußerster Spannung zu erfüllen.

Fazit

Tosender Beifall für alle Beteiligten, sie erfüllten höchste Ansprüche. Wieder einmal ist es in Coburg gelungen, ein Opernaufführung in einen allgemeinverständlichen, werkgetreuen Rahmen zu gießen. Daß gut und böse zwei Seiten einer Medaille mit fließenden Übergängen sind, wird durch die Kostümähnlichkeit zwischen Max und Kaspar sowie Samiel und Eremit verständlich erläutert. Bemerkenswert: Für die weitgehend ungekürzten gesprochenen Dialoge können die Darsteller durchwegs ihre höhere Schauspielkunst unter Beweis stellen.

Oliver Hohlbach

Bild: Andrea Kremper

Das Bild zeigt: Probeschuß: Betsy Horne (Agathe) (liegend) ist Rainer Scheerer (Kaspar) (re.)  getroffen.

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