ELEKTRA – Nürnberg, Staatstheater

von Richard Strauss, Tragödie in einem Aufzug von Hugo von Hofmannsthal; UA 25. Januar 1909, Dresden

Regie: Georg Schmiedleitner, Bühnenbild: Stefan Brandmayr

Dirigent: Marcus Bosch, Staatsphilharmonie, Chor des Staatstheaters Nürnberg, Choreinstudierung: Tarmo Vaask

Solisten: Rachael Tovey (Elektra), Mardi Byers (Chrysothemis ), Daniela Denschlag (Klytämnestra), Richard Kindley (Aegisth), Guido Jentjens (Orest), Taehyun Jun (Pfleger des Orest), Irene Lepetit-Mscisz (Vertraute), Joanna Limanska-Pajak (Schleppträgerin), Philip Carmichael (junger Diener), Michael Kunze (alter Diener), Isabel Blechschmidt (Aufseherin), Teresa Erbe, Esen Demirci, Leila Pfister, Michaela Maria Mayer, Lussine Levoni (Mägde)

Besuchte Aufführung: 9. April 2012 (B-Premiere)

Kurzinhalt

Klytämnestra hat mit ihrem Buhlen Aegisth ihren Mann, Agamemnon, im Bad erschlagen, der Sohn Orest wurde in Sicherheit gebracht, Tochter Elektra muß sich schlimmste Demütigungen gefallen lassen und lebt nur noch für den Tag, an dem Orest Vergeltung üben wird. Da wird die vermeintliche Todesnachricht von Orest überbracht. Die Schwester Chrysothemis flieht, als Elektra das Beil, mit dem der Vater erschlagen wurde, in wilder Entschlossenheit ausgräbt. Als der Trauerbote sich als ihr Bruder Orest zu erkennen gibt, mahnt Elektra die rächende Sühne an Klytämnestra an. Als Aegisth naht, führt ihn Elektra scheinbar freundlich ins Haus, wo auch er gerichtet wird. In übermäßiger Freude beginnt sie einen wilden, ekstatischen Tanz bevor sie tot zusammenbricht.

Aufführung

Die Vorstellung beginnt gewissermaßen mit Donner und Blitz: Das Publikum wird mit Scheinwerfern geblendet, dazu werden die ersten Takte, das Agamemnon-Thema, im fortissimo gespielt. Nachdem sich das Auge an das grelle Licht gewöhnt hat, erkennt man eine schlichte graue Bühne, mit vielen Türen in den Wänden. Zwei Gegenstände dominieren: Links steht ein schrottreifer Opel Admiral, von Elektra liebevoll mit Blumen gefüllt und mit Alufolie beklebt. Rechts hängt ein Boxsack, in dem Elektra die Axt verbirgt, die sie Orest nicht geben kann. Dieser kommt in einem Militär-Regenschutz, Glatze und Springerstiefeln auf den Hof. Elektra trägt einen dunklen Hosenanzug, Chrysothemis wirkt wie ein bunter Hare-Krishna-Jünger. Aegisth ist „kein Mann“, sondern wird als Tunte dargestellt. Klytämnestra trägt ein rotes Abendkleid und rote Perücke, der Bewegungschor entweder weiße oder schwarze Kleidung. Der tote Bewegungschor wird mit viel Blut auf dem Auto aufgestapelt.

Sänger und Orchester

Der Nürnberger GMD Marcus Bosch kann hier beweisen, daß er mit Strauss punkten kann. Auch wenn nicht die volle Orchester-Besetzung im Graben möglich ist (Vorgänger Eberhard Kloke setzte in der letzten Produktion das Orchester auf die Bühne), so kann er doch die harte Diktion, die schroffen Phrasen mit ans dissonante grenzender Wut ausleben. Er hat das Gespür für die schwarzen dämonischen Farben, die Tutti-Effekte im Blech wirken naturgemäß weicher und leiser. Sängerisch dominiert Rachael Tovey als Elektra. Mit ihrem harten hochdramatischen Sopran kann sie die Abgründe der Seele darstellen: Der Wahnsinn und der abgrundtiefe Hass Elektras bricht sich Bahn. Daniela Denschlag trifft genau den richtigen Ton in der Rolle der Klytämnestra: Nämlich den hämischen, leicht keifigen Ton, der die Rolle treffend charakterisiert. Mardi Byers hat Probleme mit den Höhen, hier geht es nur mit viel Kraft, das wirkt schrill und sehr eng in der Kehle. Leider werden für die Rolle der Chrysothemis harmonische, schöne lyrische Klänge gefordert. Guido Jentjens hat keine Probleme Orest eine wortgewaltige und verständliche Darstellung innerer seelischer Qualen zu verleihen. Richard Kindley kann die kleine Rolle des Aegisth mit einer eher schauspielerisch orientierten Gesangslinie mit Hilfe eines Eisbären im Schritt belustigend gestalten. Auch die vielen kleinen Rollen konnten durchwegs gut mit Kräften des Hauses und des Opernstudios besetzt werden, besonders zu loben sind die Darstellerinnen der fünf Mägde.

Fazit

Verhaltener Jubel des Publikums ist der Lohn für eine scheinbar werkgetreue Personenführung, lediglich die Optik der Aktualisierung ist manchmal etwas gewöhnungsbedürftig. So ist der Opel Admiral als Erinnerungsfetisch für den ermordeten Vater nicht leicht zu erkennen. Und ob die Skinheads um Orest wirklich den ganzen Hof einschließlich Chrysothemis hinmetzeln müssen, kann diskutiert werden, aber selten hat man einen optisch so erregenden Leichenberg gesehen. Sängerisch ist die Produktion bis auf eine Ausnahme herausragend besetzt, jedoch steigert sich der Applaus zu einem Höhepunkt, wenn es um das Orchester und um den GMD Marcus Bosch geht – zu Recht!

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah

Das Bild zeigt: Optisch erregend: Mardi Byers (Chrysothemis), Rachael Tovey (Elektra) und Chor

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