IMENEO – Salzburg, Landestheater

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Dramma per musica in 3 Akten, Libretto nach Silvio Stampiglia und Nicola Porpora; Komponist, (1723), UA: 22. November 1740 London, Lincoln’s Inn Fields Theatre

Regie: Nina Kühner, Bühne: Hanna Zimmermann, Kostüme: Claudia Casera

Dirigent: Matthew Halls, Mozarteumorchester Salzburg und Chor, Choreinstudierung: Stefan Müller

Solisten: Frances Pappas (Tirinto), Kirsten Blaise (Rosmene), Emily Righter (Clomiri), Simon Schnorr (Imeneo), Marcell Bakonyi (Argenio).

Besuchte Aufführung: 5. Februar 2012 (Premiere)

Kurzinhalt

Die Frauen Rosmene und Clomiri sind von Piraten entführt worden, beklagt von Tirinto, Rosmenes Geliebtem, und Argenio, Stammesältester und Vater der beiden Frauen. Imeneo gelingt es als Frau verkleidet, die Piraten im Schlaf zu töten und die beiden Frauen zu retten. Als Lohn fordert er Rosmenes Hand und wird darin von Argenio unterstützt – zum Entsetzen des Tirinto. Rosmene ist hin- und hergerissen zwischen Pflicht und Liebe, Clomiri ist traurig wegen der unerfüllten Liebe zu Imeneo. Rosmene spielt die Wahnsinnige, um ihre Entscheidung für Imeneo zu rechtfertigen. Der Chor besingt den Sieg der Vernunft über die Liebe.

Aufführung

Eigentlich ein sehr eindrucksvolles Einheitsbühnenbild: In den scharfen Konturen einer Felsen- und Strandkulisse ist genügend Platz für Liebe und Verzweiflung. Ein Durchgang durch den Felsen zum Strand schafft alle Möglichkeiten für Auf- und Abtritte. Ein optisch ungemein attraktiver Chor kommentiert das Geschehen wie immer fröhlich lachende Blumenkinder, die barocke Fruchtbarkeitsallegorien als Kopfschmuck tragen. Auch Amor mit einem Blumenkranz in Herzform ist darunter. Gekleidet sind die beiden Damen in klassische griechische Gewänder, die zu jedem Akt die Farbe wechseln. Die Herren tragen offenes weißes Hemd, schwarze Hose und Sakko oder Weste.

Sänger und Orchester

Die treibende Kraft ist der Barockspezialist Matthew Halls, der Händels Farbenreichtum, Lyrik und die vorantreibende Dramatik der Partitur ideal miteinander verknüpft. Das um einige Barock-Spezialisten verstärkte Orchester bringt das ideale Klangbild des Barock mit harmonischer und eloquenter Würde und verschmilzt unter Halls Leitung zu einer organischen Einheit: So muß sich barocke Musik von einem „modernen“ Orchester anhören! Der Chor ist voll integriert, auch wenn er meist nur kommentierende Funktion im Rezitativ-Stil hat – bis auf die Glanznummer am Schluß, wenn er im zwiespältigen Moll den Sieg der Vernunft beschwört. Einheitlich auf hohem Niveau auch die fünf Solisten: Frances Pappas ist ein sehr heller und klarer Mezzo, der allerdings in der Hosenrolle des Tirinto (gefordert ist ein Altkastrat) einen Tick zu hoch klingt. Kirsten Blaise ist ein gefestigter hochdramatischer Sopran und kann der verzweifelten Rosmene die entsprechende Durchschlagskraft verleihen – vor allem in der Wahnsinnsarie. Aber auch im Piano hat sie eine beeindruckende Stärke. Emily Righter (Clomiri) ist eine junge neue Stimme, klar und ausdrucksstark auch im Forte – neigt aber vor allem an lauten Stellen etwas zum Tremolieren. Simon Schnorr ist ein durchschlagskräftiger Bariton, der auch in hohen Lagen strahlen kann und sich sicher zum Tenor weiter entwickeln wird. Allerdings ist für den Imeneo eher ein Baßbariton vorgesehen. Schnorr kann sich aber entsprechend anpassen. Marcell Bakonyi ist ein toller Baß-Bariton ohne jegliche Attitüden in den tiefen Lagen und daher eine Idealbesetzung für den Argenio.

Fazit

Das Salzburger Landestheater steht zwar im Schatten der Salzburger Festsspiele oder der Mozartwoche, aber diese Produktion macht deutlich, daß das Landestheater nicht nur historisch zu den bedeutenden deutschsprachigen Opernhäusern zählt – zumal auch das Mozarteumorchester (seit 1939 unabhängig vom Mozarteum) zu den führenden Orchestern Österreichs gehört. Eine mehr als nur mitreißende Produktion – sowohl szenisch als auch musikalisch – zeigt die derzeitigen Möglichkeiten moderner barocker Aufführungspraxis auf. Vom Publikum – das angenehmerweise auf in Salzburg sonst gelegentlich anzutreffende ignorante Schickimicki-Selbstdarsteller verzichtet – wurde diese Premiere so enthusiastisch gefeiert. Es bleibt die Hoffnung, daß diese Produktion auch andernorts Wellen schlägt.

Oliver Hohlbach

Bild: Christina Canaval

Das Bild zeigt: Verzweiflung allerorten: Kirsten Blaise (Rosmene), Emily Righter (Clomiri), Simon Schnorr (Imeneo), und Amor vom Chor

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