DER FERNE KLANG – Bonn, Opernhaus

von Franz Schreker (1878-1934), Oper in drei Aufzügen, Libretto vom Komponisten, UA: 18. August 1912 Frankfurt am Main, Opernhaus

Regie: Klaus Weise, Bühne: Martin Kukulies, Kostüme: Dorothea Wimmer, Licht: Thomas Roscher

Dirigent: Will Humburg, Beethoven Orchester, Chor und Extrachor, Choreinstudierung: Sibylle Wagner

Solisten: Michael Putsch/Mathias Schulz (Fritz, ein junger Künstler), Ingeborg Greiner (Grete Graumann), Renatus Mézár (Dr. Vigelius/Graf), Frank van Hove (Rudolf/Baron), Giorgos Kanaris (Der Schauspieler), Egbert Herold (der alte Graumann), Suzanne McLeod (seine Frau), I. Anjara Bartz (altes Weib) u.a.

Besuchte Aufführung: 11. Dezember 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Die Handlung spielt in Deutschland und Venedig um das Jahr 1900. Der junge Komponist Fritz verläßt seine Geliebte Grete, um in der Fremde den „fernen Klang“ zu finden, der sein künstlerisches Schaffen prägen soll. Gretes Vater verspielt seine Tochter an einen Wirt. Um der Verbindung zu entgehen, flieht Grete bei Nacht und Nebel. Sie denkt an Selbstmord, gerät aber dann in die Fänge einer alten Kupplerin. Als Greta avanciert sie zur gefragten Kurtisane. Auf einem Fest in Venedig weist sie ihren gräflichen Verehrer ab, da er sie zu sehr an ihren einstigen Geliebten Fritz erinnert. Auf der rauschenden Feier trifft sie dann tatsächlich auf den immer noch künstlerisch unerfüllten Fritz, der sie angewidert stehen läßt, als er ihre Profession erkennt. Etliche Jahre später erlebt der inzwischen todkranke Fritz die Premiere seiner Oper Die Harfe. Die Oper fällt durch. Erst als Fritz Grete ein letztes Mal begegnet, begreift er, daß ihrer beider Liebe eng mit seinem künstlerischen Schaffen verbunden ist, denn nur in Gretes Nähe hört er den ersehnten „fernen Klang“; doch nun ist es zu spät. Er stirbt in ihren Armen.

Aufführung

Die Bühne ist durch Stellwände begrenzt, die zunächst die Wohnung der Graumanns, im dritten Akt das Komponisten-Zimmer von Fritz andeuten. Später weichen die Wände zurück und vergrößern den Raum. Am Ende des ersten Akts schläft die Wirtstochter Grete unter dem Schattenriß eines üppigen Baums ein, um dann, von der Kupplerin entdeckt, als zukünftige Kurtisane vor einer riesigen silbrigen Muschel ihrer neuen Identität entgegenzugehen. Die Regie fand stimmige und sehr gut ausgeleuchtete Bilder für die Entwicklung der Protagonisten. Trägt Grete anfangs Blumenrock und Strickjacke, ist sie im Verlauf mit Nerzstola und Glitzerkleid zu sehen, um am Ende als „gefallenes Mädchen“ wieder in gedeckten Farben ihren Fritz zu finden, der nun, sichtlich gealtert, in ihren Armen stirbt. Einzige Konstante ist Gretes Schaukel, die in allen drei Akten vorkommt als Symbol ihrer ungebrochenen Liebe zu Fritz. Mit der Ausstaffierung des Wirts als „Joker“, dem aus dem Film bekannten Spieler und Erzfeind von Batman, gelang eine treffende Charakterisierung der Sphäre des Bösen in dieser Oper. Außerdem verstand man es als Hinweis auf das Genre der Film-Musik, das 1912, zur Entstehungszeit dieser Oper zwar noch nicht existierte, von Franz Schreker jedoch in der illustrierenden Ausarbeitung seiner Partitur und dem Einsatz von Simultanklängen (Orchester und Bühnenmusiker musizieren gleichzeitig) vorweg genommen wurde.

Sänger und Orchester

Allen voran muß das Beethovenorchester unter dem sehr präzise dirigierenden Will Humburg lobend erwähnt werden. Humburg hielt nicht nur die vielen Mitwirkenden, Orchester, Solisten, in sich geteilte Chöre und zwei Kapellen auf der Bühne mit sicherer Hand zusammen, sondern leuchtete die mit vielen Details ausgestattete Partitur solide aus. Mathias Schulz rettete als Einspringer die Premiere für den indisponierten Michael Putsch (Fritz), der seinen Part nur mimisch darstellte, während die Stimme von Mathias Schulz vorne am Bühnenrand das Gesangliche regelte, was famos funktionierte. Er hatte bereits in Augsburg diese Partie gesungen und war dementsprechend bestens präpariert. Ingeborg Greiner war eine fabelhafte Grete: Sie überzeugte mit klug geführter Stimme in der differenziert komponierten Partie und spürte dem emotionalen Ausdrucksgehalt ihrer Rolle gründlich nach. Mit profundem Baß und leichter Stimmführung nahm Renatus Mézár als Vigelius und Graf ein. Als Wirt und Baron fungierte Frank van Hove mit seinem in allen Registern klangschönen, ebenfalls sehr wendigen Baß. Giorgos Kanaris füllte die Partie des Schauspielers mit Belcanto-Charme aus. Die kleineren Rollen waren mit schauspielerisch begabten Sängern und ordentlichen Stimmen besetzt.

Fazit

Musikalisch eine durchweg gelungene, zumal selten zu hörende Aufführung. Die Sänger, allen voran Ingeborg Greiner, sind den suggestiven Klangvorstellung des Komponisten bereitwillig gefolgt. Besonderes Augenmerk lag auf dem Dirigenten Will Humburg, der die zahlreichen Mitwirkenden klar durch die vielschichtige Partitur führte. Klaus Weise hatte die letztlich im Inneren der Personen stattfindende dramatische Entwicklung in wirkungsvolle Bilder, etwa den riesigen Baum, die silberne Muschel, und nicht zuletzt die Schaukel übersetzt.

Felicitas Zink

Bild: Thilo Beu

Das Bild zeigt: Ingeborg Greiner als gefeierte  Kurtisane Greta, umringt vom Ensemble, Chor und Statisten

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