MANON LESCAUT – Bonn, Oper

von Giacomo Puccini (1858–1924), Dramma lirico in vier Akten, Libretto: Ruggero Leoncavallo, Luigi Illica, Domenico Oliva, Marco Praga

nach einer Erzählung von Abbé Prévost von, UA: 1. Februar 1893, Teatro Regia, Turin

Regie: Christine Mielitz, Bühne: Hartmut Schörghofer, Kostüm: Corinna Crome

Lichtt: Max Karbe, Video: Thomas Zengerle

Dirigent: Stefan Blunier, Beethoven Orchester Bonn, Chor des Theater Bonn, Einstudierung: Sibylle Wagner

Solisten: Galina Shesterneva (Manon Lescaut), Mark Morouse (Sergeant Lescaut), Michael Ende (Renato Des Grieux), Kurt Gysen (Geronte di Ravoir) u.a.

Besuchte Aufführung: 25. September 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Der Student Chevalier Des Grieux und die 18jährige Manon Lescaut verlieben sich Hals über Kopf ineinander und fliehen von Amiens nach Paris. Nach einem kurzen gemeinsamen Zusammenleben in Paris verläßt Manon ihren Geliebten und läßt sich vom reichen Geronte di Ravoir aushalten. Als es nach einer Weile kommt es zum Wiedersehen von Des Grieux und Manon im Hause di Ravoirs. Manon liebt trotz ihres Lebens mit dem reichen de Ravoir ihren Des Grieux. Sie werden von Manons reichem Gönner in flagranti ertappt. Auf sein Geheiß trifft die Polizei ein und verhaftet Manon, die im Begriff war, sich Schmuck und andere Wertsachen anzueignen. Sie wird zur Verbannung nach Amerika verurteilt. Des Grieux geht mit ihr, da er ohne sie nicht leben kann. Durch unglückliche Umstände veranlaßt, müssen beide in die Wüst fliehen. Manon stirbt vor Schwäche in den Armen ihres Geliebten.

Aufführung

Noch während des kurzen Vorspiels tritt am linken Bühenrahmen ein Mann mit silber-glitzernden Sternen auf dunklem Anzug auf. Es ist Edmondo, Des Grieus‘ Freund. Im Rhythmus der das Posthorn imitierenden Orchestermusik verrenkt er tänzerisch Arme und Beine. Dann füllen dichte Wolken die ganze Bühne. Schemenhaft tauchen Männer mit Trollys auf, begleitet von Passagieren des angekommenen Flugzeugs. Eine Reihe Stewardessen und andere Personen in lockerer Kleidung (Hemden über den Hosen, die Stewardessen mit offener Jacke, viele mit schräg aufsitzenden Hüten) bewegen sich tanzend den Bühnenrand entlang. Im Hintergrund sieht man eine liegende Halbkugel, auf der ein Steg, einem Schiffsrehling ähnlich, zentral aufgesetzt ist. Auf diesem Steg, der sich kreisförmig drehen läßt und mal dunkel, mal hell-weiß erscheint, spielt sich die Handlung ab. Manchmal „erläutert“ die im Hintergrund eingeblendete barocke Schloßgalerie oder ein überdimensionaler Kronleuchter das davor ablaufende Geschehen. Alles andere fehlt: Postkutsche, Gartenrestaurant in Amien, das Alkoven in Manons
Boudoir.

Sänger und Orchester

Galina Shesternevas Sopranstimme ist sehr lyrisch und ihre Gesangslinien werden comme il faut klar und expressiv vorgetragen. Sie verkörpert die leichtfertige Manon mit großem Körpereinsatz. Ihre Artikulation ist durchaus verständlich, nur stimmen die Worte, die sie singt, keineswegs mit der auf der Bühne gezeigter Situation überein. So singt sie, kurz bevor ihr reicher Liebhaber auftaucht, ihrem Cavaliere entgegen: Innig geliebte teure Lippen … wobei sie sich einige Meter weit von ihm auf dem Steg befindet. Michael Endes (Renato Des Grieux) Tenor ist tragend. Aber sein Atem reicht öfter nicht aus, die längeren Töne ausreichen lang anzuhalten, worunter die Intonation leidet. Auffallend bei beiden ist die häufig zu große Forcierung ihrer Stimmen. Verständlich ist das, da das Orchester mit der Gewalt eines Sturms die Stimmen überdeckt.

Kurt Gysen (Geronte di Ravoir) hat eine wohlklingende runde Baßstimme. Seine heftige Aufregung beim Bemerken von Manons Flucht ist bewegend, doch in der amorphen Bühnenweite reicht auch der Übertitel-Text kaum aus, daß der Zuschauer das nachvollziehen kann. Guter gesanglicher Ausdruck und Textverständlichkeit findet sich ebenso bei Mark Morouse (Sergeant Lescaut). Manons Arie: In quelle trine morbide – In diesem weichen Alkoven wird mit berechtigtem Applaus bedacht genauso wie das Duett Tu, tu amore – Du, Liebster, du. Leider veranlaßt die leidenschaftliche Sprache der beiden Liebenden den Dirigenten Stefan Blunier, ein übergroßes Fortissimo hinzulegen unter dem man Manon und Des Grieus vergeblich sucht. Dagegen wird das Intermezzo zu Beginn des dritten Akts mit viel Feingefühl dargestellt, was starken Applaus nach sich zieht.

Fazit

Die Regie hat sämtliche Intimität ausgespart. Fatal macht sich die große Bühne bemerkbar, auf der eben keine Intimität aufkommen kann, denn auch die expressiven Musik Puccinis verlangt anheimelnde Atmosphäre, zumal  bei einer Liebesgeschichte.

Die Sänger wurden mit Recht gelobt, so daß sich in dieser Hinsicht ein Besuch lohnt.

Dr. Olaf Zenner

Bild: Thilo Beu

Das Bild zeigt: Kurt Gysen(Geronte de Ravoir), Galina Shesterneva (Manon Lescaut), Chor

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