Luzern Festival im Sommer 2011

Das sich seit 1938 am malerischen Vierwaldstättersee in der Zentralschweiz ereignende Luzerne Festival findet dreimal im Jahr statt und gehört zu den renommierten Klassikfestivals. Während zu Ostern hauptsächlich sakrale Musik erklingt und im Winter nur Klavierwerke, bietet das Festival im Sommer mit rund 100 Veranstaltungen eine größere Vielfalt. Im Zentrum stehen dabei über 30 Sinfoniekonzerte, in denen die international bekanntesten Klangkörper zu hören sind. Neben den Wiener Philharmonikern, gleichzeitig Residenzorchester, sind das u.a. die Berliner Philharmoniker, das Chicago Symphony Orchestra, Royal Concertgebouw Orchestra oder London Philharmonic Orchestra. Eine Besonderheit bildet dabei seit 2003 das von Claudio Abbado geleitete Luzern Festival Orchestra, in dem international bekannte Solisten, Kammermusiker, Professoren sowie die Mitglieder des Mahler Chamber Orchestra versammelt sind. Der Ausbildung des musikalischen Nachwuchses widmet sich die von Pierre Boulez gegründete und geleitete Luzern Festival Academy mit dem Schwerpunkt auf Neuer Musik. In den Fokus rückt hierbei ebenfalls der Composer in Residence – 2011 ist das Georg Friedrich Haas – dessen Werke zur Uraufführung gebracht werden. Die meisten Aufführungen finden im 1998 eröffneten Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL) statt, dessen Konzertsaal sich aufgrund seiner ausgezeichneten Akustik ideal für klassische Musik eignet, egal ob es sich um solistische Darbietungen, Kammermusik oder Sinfonien handelt. Die diesjährige Ausgabe des Luzern Festivals im Sommer, das vom 10. August bis zum 18. September dauert, steht unter dem Motto „Nacht“.

Luzern, Kultur- und Kongresszentrum Luzern

Gustav Mahler (1860-1911). Sinfonie Nr. 7 e-Moll

Dirigent: Simon Rattle. Berliner Philharmoniker.

Besuchte Aufführung: 31. August 2011

Mit ihren zwei Nachtmusiken paßt Gustav Mahlers 1904/1905 entstandene Siebte Sinfonie zum diesjährigen Festivalmotto. Daß die Berliner Philharmoniker einige Tage zuvor mit diesem umfangreichen, hochkomplexen fünfsätzigen Werk ihre eigene Saison eröffnet hatten, also bereits einstudiert war, machte sich bemerkbar. Zum einen wirkte die Interpretation der e-Moll Sinfonie noch professioneller und im Ablauf noch reibungsloser, als es von einem Orchester von Weltrang wie den Berliner Philharmonikern ohnehin erwartet werden durfte. Zum anderen stellte sich aufgrund dessen jedoch gelegentlich der Eindruck zu deutlicher Routiniertheit ein, die über manche Bizarrerien und Details der schillernden Instrumentation hinwegsah. So wurde z.B. der „Vorhang-Auf-Effekt“ mitsamt Vorspiel der Bläser in seiner Eigenartigkeit kaum herausgestellt. Insgesamt jedoch kam der Mahler-Fan durchaus auf seine Kosten. Dies, zumal Rattles individueller Ansatz auf dynamische Extreme setzte sowie der musikalischen Ironie und Brüchigkeit von Mahlers Personalstil gerecht wurde. Den lärmenden Tumulten des Rondo-Finale etwa feierte das Orchester-Tutti in seiner ganzen brachialen Fröhlichkeit, nur um gleich darauf in die ruhigen folkloristische Gesten der Holzbläser umzuschwingen. Grundsätzlich inszenierten Rattle und die Berliner Philharmoniker die Unvorhersehbarkeit der Mahlerschen Formverläufe sehr wach, so daß sich häufig jene musikalischen Überraschungseffekte einstellten, wie sie die Partitur vorsieht. Im Kopfsatz strukturierte Rattle das nur scheinbar ungeordnete, gleichwohl schwer durchschaubare Auf und Ab der Musik mittels intelligenter Tempowechsel und sorgsam ausgestalteten Übergängen. Das den Höhepunkt der Durchführung markierende Crescendo mit seinen gleißend hellen Klangfarben geriet durch seine Gespanntheit beinahe schmerzlich intensiv, so wie überhaupt das jähe Wechselspiel von Spannung und Entspannung, wie es sich auch in Rattles bewegtem Dirigieren spiegelte, ein ums andere Mal den Atem verschlug.

Selbstverständlich heißt die Berliner Philharmoniker loben, Eulen nach Athen zu tragen. Und doch konnte die Nuanciertheit der huschenden Streicherfiguren im schattenhaften Scherzo nur verblüffen, die Soli der Blechbläser in der ersten Nachtmusik nur begeistern, allen voran das plastische Tenorhorn. Dank der herausragenden Akustik des Konzertsaals des KKL kamen ebenfalls Mandoline und Gitarre in der zweiten Nachtmusik zu ihrer Geltung.

Fazit

Das Publikum im ausverkauften Konzertsaal zeigte sich zurecht begeistert. Alles in allem lohnt ein Besuch des Luzern Festivals im Sommer trotz der für ausländische Touristen mittlerweile hohen Preise in der Schweiz nach wie vor. Dies zumal die erhabene alpine Berglandschaft sowie der Vierwaldstättersee tagsüber zu Wanderungen und Bootsausflügen einladen.

Aron Sayed

Bild:  Priska Ketterer

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