PARSIFAL – Bayreuther Festspiele

von Richard Wagner (1813-1883), Text vom Komponisten, Bühnenweihfestspiel in drei Akten, UA: 26. Juli 1882, Bayreuth

Regie: Stefan Herheim, Bühne : Heike Scheele, Kostüme: Gesine Völlm

Dirigent: Daniele Gatti, Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele, Choreinstudierung: Eberhard Friedrich

Solisten: Detlef Roth (Amfortas), Diogenes Randes (Titurel), Kwangchul Youn (Gurnemanz), Simon O’Neill (Parsifal), Thomas Jesatko (Klingsor), Susan Maclean (Kundry), Simone Schröder (Stimme aus der Höhe), u.a.

Besuchte Aufführung: 3. August 2011 (Premiere 2008))

Kurzinhalt

Amfortas leidet unter einer nicht heilenden Verletzung, die er bei dem Raub des heiligen Speers durch Klingsor erlitten hat. Nur „ein reiner Tor“ kann den Speer zurückgewinnen und Amfortas heilen. Gurnemanz hält Parsifal für den „reinen Tor“ aber er versteht nichts und wird verstoßen in den Zaubergarten Klingsors mit verführerischen Mädchen und Kundry. Als auch Kundry ihn nicht verführen kann, erringt Parsifal den Speer, der Zaubergarten versinkt. Parsifal kehrt zurück zur Gralsburg, heilt die Wunde mit dem Speer und enthüllt den Gral.

Aufführung

Im Parsifal von Stefan Herheim, der mittlerweile in die vierte Spielzeit geht, kommen viele Erzählebenen im ständig sich verändernden Bühnenbild zusammen. Anfangs zeigt die Szene Wagners Villa Wahnfried und sein Grab im Park, danach den Garten vor der Villa Wahnfried: Eine Gründerzeitgesellschaft (mit Burschenschaftern als Knappen) beobachtet die Geburt eines Kindes und den Abschuß eines Schwans. 1914 ziehen kaiserliche Soldaten mit dem Segen des Grals in den Krieg – im Gralstempel aus der Bayreuther Uraufführung. Der Untergang von Klingsors Zaubergarten, der eigentlich ein Lazarett mit Krankenschwestern und Blumenmädchen-Revue-Girls ist, findet seine Entsprechung im Untergang des dritten Reiches. Der dritte Akt zeigt in den Ruinen von Wahnfried nach Wieland Wagners Regiebuch die Karfreitagsszene, bevor sich Parsifal und der Gral im deutschen Bundestag auflösen. Zum Schluß die Taube als Leuchtzeichen am oberen Portalrand – so wie sie Knapperstbusch als Gegenpol zu Wieland Wagners Inszenierung einst ertrotzt hat.

Sänger und Orchester

Sängerisch bewegt man sich einheitlich auf solidem Niveau, besonders Kwangchul Youn, dessen Gurnemanz zu den überzeugendsten Sängern dieser Festspielsaison zählt. Mit immer sauberer Diktion kann er mit absoluter Wortverständlichkeit glänzen. Simon O’Neill – neu als Parsifal – kann den Vergleich mit seinem Vorgänger, der die letzten Jahre die Rolle sang, Christopher Ventris, nicht gewinnen. Während Ventris über leuchtende Klangfarben verfügte, klingt O’Neill in allen Lagen eher eindimensional und wird in den Höhen immer enger geführt – es klingt sehr schrill. Susan Maclean gestaltet die Rolle der Kundry mit hochdramatischem Sopran bei hohem Volumen mit sehr viel Durchschlagskraft.  Sie wirkt gewohnt souverän mit sicherer, aber manchmal mit zu viel Kraft gestemmter Höhe. Detlef Roth ist ein zurückhaltender lyrischer Bariton, die Stimme sitzt ein bißchen in der Kehle, verbreitet aber mit vielen Unterschwingungen wohlklingenden Glanz. Seine Amfortas leidet beim besten Willen nicht. Die kleineren Rollen sind durch die Bank adäquat besetzt, besonders erwähnenswert die Einheitlichkeit der Blumenmädchen hinsichtlich des Stimmklangs. Daniele Gatti strebt als Dirigent mittlerweile der Erfüllung aller Wünsche an ein weihevolles Pathos entgegen – allerdings nimmt seine Tendenz zum Schleppen und Zerdehnen des Spannungsbogens doch zu. So plätschert z.B. der Einzug der Gralsritter oder die Verwandlungsmusik belanglos dahin, jedoch ist das Festspiel-Orchester jederzeit in der Lage das bekannte Bayreuther Parsifal-Klangbild zu zaubern – so kommt doch nie wirkliche Langeweile auf. Darüber hinaus freut man sich über einen Chor, der wieder hinsichtlich Klangbild, Zusammenspiel der Stimmen und Diktion Maßstäbe setzt.

Fazit

Zwei einsame Buhrufer für Stefan Herheim und verhaltener Beifall für Daniele Gatti, während Chor und Solisten stürmisch umjubelt werden. Manche sehen in dieser komplexen Inszenierung eine der gelungensten und allumfassendsten Darstellung des Parsifal. Viele hingegen fühlen sich von der Bilderfülle erschlagen und kritisieren. In einem Interview im OPERAPOINT 4/2008 stellt René Kollo klar heraus, daß Herheims Auffassung keineswegs die Wagners ist.

Oliver Hohlbach

Bild: Enrico Nawrath

Das Bild zeigt: Detlef Roth (Amfortas), Simon O’Neill (Parsifal)

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