SAMSON UND DALILA – Nürnberg, Staatstheater

von Camille Saint-Saëns (1835-1921), Oper in drei Akten in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln, Libretto von Fernand Lemaire (1832-1879), UA: 1877, Weimar

Inszenierung: David Mouchtar-Samorai, Bühne: Heinz Hauser, Kostüme: Urte Eicker

Dirigent: Guido Johannes Rumstadt, Nürnberger Philharmoniker, Chor des Staatstheaters Nürnberg

Solisten: Andre Care (Samson), Jordanka Milkova (Dalila), Melih Tepretmez (Oberpriester des Dragon), Vladislav Solodyagin (Abimélech), Daeyoung Kim (alter Hebräer), Richard Kindley (Kriegsbote)

Besuchte Aufführung: 15. Januar 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Fundament der Oper ist die alttestamentarische Geschichte von Samson. Dieser bezwingt mit seinen übermenschlichen Kräften die Philister unter dem Statthalter Abimélech, welche das hebräische Volk grausam unterdrücken. Seine einzige Schwäche ist jedoch die Liebe zu Dalila, einer feindlichen Priesterin. Indem sie ihn verführt entlockt sie Samson das Geheimnis um seine Kraft. Geschwächt durch den Verlust des langen Kopfhaares, wird Samson gefangen genommen, geblendet und versklavt. In größter Verzweiflung wendet er sich an Gott und gelangt noch einmal zur ursprünglichen Stärke: Er reißt die Säulen des heidnischen Tempels ein und wird zusammen mit tausenden Philistern und Dalila unter den herabstürzenden Trümmern begraben.

Aufführung

Samson und Dalila ist die zweite Inszenierung von David Mouchtar-Samorai im Rahmen der alttestamentarischen Opern-Reihe in Nürnberg. Wieder verlegt er die Handlung ins heutige Israel/Palästina: Überschriften, projiziert ins Bühnenbild, das nur aus verschiebbaren Gitterkäfigen besteht, beschreiben die einzelnen Szenen. Es beginnt in Gaza 1947, Auswanderer mit langen Bärten, Mantel und Hut, sind mit ihrem Gepäck angekommen. Daneben stehen drohende Araber mit Kopftüchern und Karabinern. Mittels eines Zeitsprungs befinden wir uns im heutigen Tel Aviv. Samson – mit dunkler Sonnenbrille und Lederjacke – begehrt die Nachtclubsängerin Dalila (mit Kopftuch). Als Ballett-Einlage gibt es eine Bauchtanzgruppe, die durch einen Selbstmordattentäter abrupt endet.

Dalilas Wohnung besteht nur aus einer Tür und einem Bett. Sie nimmt Samson die Pistole ab, der dann verschleppt wird. Die Einblendung Gaza morgen? steht über dem zweiten Ballett: Eine Karikatur des ewigen Juden mit Hakennase spielt mit einer Erdkugel – umgeben von vier Schweinen. Die Einblendung eines Atompilzes beendet die Oper.

Sänger und Orchester

Der volumenstarke und obertonreiche Mezzo von Jordanka Milkova (Dalila) erfreut den ganzen Abend hindurch. Sicher in der Höhe und ausdrucksstark in der Tiefe gelingt es ihr, auch die Tiefen in dieser Rolle auszuloten. Andrea Care (Samson) kommt aus dem italienischen Belcantofach, der scheinbar kraftlos die Rolle des Samson ausfüllt – selbst die obersten Register klingen noch sauber und ungepreßt. Leider geht ihm gegen Ende ein wenig die Kondition aus und er muß sich durch die letzten – wenn auch enormen – Höhen stemmen. Unter dem ausgezeichneten Ensemble ragen Melih Tepretmez als Oberpriester und Vladislav Solodyagin als Abimélech heraus.

Besonders erwähnenswert der Chor, der besonders am Anfang und am Schluß der Oper die Handlung trägt. Beeindrucken zu welcher Exaktheit die Choreinstudierung von Edgar Hykel den Chor führt und wie genau das Zusammenspiel der Stimmgruppen mit Orchester und Solisten ist – vor allem über die langen Strecken, in denen der Chor agieren muß.

Die Nürnberger Philharmoniker können unter Guido Johannes Rumstadt fast vergessen machen, daß die Oper eigentlich am Anfang als Oratorium gedacht war. Gerade in der romantischen Harmonik der Ballettmusik oder den schön herausgestellten Fugen im Anfangs- und Schlußakt kommt die spätromantische Klangwelt von Saint-Saëns hervorragenden zur Geltung. Daneben ist das Orchester ein zurückhaltender Begleiter des Duetts Mein Herz erschließt sich zwischen Samson und Dalila, das eigentlich fast den ganzen zweiten Akt umfaßt.

Fazit

Das ist gut gemeint und auch gut gemacht, aber an der übergestülpten Handlung, die das alttestamentarische Geschehen (Samsons Haar und dessen Verlust kommen überhaupt nicht vor) komplett verdrängt, scheiden sich die Geister: Muß es in Palästina immer nur Besatzer und Besetzte geben? Ist die einzige mögliche End-Lösung die Atombombe? Seit wann huldigen Araber dem Gott der Philister Dragon? Das Nürnberger Publikum war sich relativ einig: Auch wegen einiger sehr aufgesetzt wirkender Regieeinfälle (Selbstmordattentäter, Atombombe) ein lautstarkes Buh für die Regie, aber einen Orkan der Zustimmung für das Ensemble um das Protagonistenpaar, einer Sternstunde der musikalischen Interpretation.

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah

Das Bild zeigt: Eine Verführungsszene hinter Gittern mit Knalleffekt: Andre Care (Samson), Jordanka Milkova (Dalila)

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