PETER GRIMES – Stadttheater Bremerhaven

von Benjamin Britten (1913-1976), Oper in drei Akten, Libretto: Montagu Slater nach der Dichtung von George Crabbe, deutsche Textfassung: Joachim Herz und Klaus Schlegel, UA: Juni 1945 London
Regie: Petra Luisa Meyer, Ausstattung: Okarina Peter & Timo Dentler, Beleuchtung: Thomas Güldenberg, Dramaturgie: Juliane Piontek
Dirigent: Stephan Tetzlaff, Städtisches Orchester Bremerhaven, Opern- und Extrachor Bremerhaven, Kinderstatisterie
Solisten: Paul McNamara (Peter Grimes), Sebastian Pöhlmann (John, stumme Rolle), Miriam Gordon-Stewart (Ellen Orford), Werner Kraus (Käpitän Balstrode), Zdravka Ambrić (Aunti), Pinelopi Argyropoulou und Lilli Wünscher (Nichten), u.a.

Besuchte Aufführung: 11. September 2010 (Premiere)

Kurzinhalt

Der finstere, eigenbrötlerische Fischer Peter Grimes lebt in einer kleinen Hütte am Rande der Klippen an der Ostküste Englands. Die Bewohner des Dorfes beäugen ihn mißtrauisch, denn er hat in ihren Augen durch den ungeklärten Tod seines Lehrlings Schuld auf sich geladen, obwohl der Fall per Gerichtsbeschluß zu einem Unfall erklärt worden ist. Peter wird nahe gelegt, keinen neuen Lehrling anzunehmen. Trotzdem nimmt er gegen den Widerstand der Dorfbewohner einen Jungen aus dem Armenhaus zu sich. Bei der Kontrollinspektion der Dorfgesellschaft in Peters Hütte geschieht ein tragisches Unglück: Um den Jungen vor der Meute seiner Mitbürger zu schützen, schickt Peter ihn durch eine Seitentür hinaus. Der Lehrling stürzt über die Klippen und stirbt. Aufkommende Gerüchte, die Ablehnung der Dorfbewohner und die eigene Schuld treiben Peter zusehends in den Wahnsinn. Er ertränkt sich schließlich in seinem Boot.

Aufführung

Der Prolog der Oper ließ zunächst an eine konzertante Aufführung denken. Solisten und Chor traten in Abendgarderobe auf, der Chor hielt Sängermappen in den Händen. Zum Ende des Prologs wurden an takelageartigen Gerüsten Kostüme heruntergelassen: für die Solisten traditionelle Kostüme ihrer Rolle entsprechend (also Kapitänsmantel, Perücke für den Anwalt, Ölzeug etc.), der Chor erhielt Anzüge der Arbeiter einer Fischfabrik. Für das Bühnenbild der drei folgenden Akte wurden viele Containertonnen und zwei halb transparente Chiffonvorhänge variationsreich eingesetzt, um eine Hafenszenerie, eine Kneipe und eine Kirche anzudeuten. Peter Grimes Hütte bestand auch aus den erwähnten Tonnen und einigen Schiffsplanken, darauf war ein Seefeldstecher montiert.

Sänger und Orchester

Unter der Leitung von Stefan Tetzlaff gelang dem Ensemble eine gute Gesamtinterpretation der Oper, die Orchester und Chor einiges abverlangt. So gerieten die schnellen Läufe der Holzbläser und der hohen Streicher nicht immer sauber in Intonation und Technik. Dennoch verlor das Orchester bei großen Spannungsbögen nicht an Energie. Besonders das dritte Orchesterzwischenspiel war von treibender Rhythmik und Vitalität geprägt. Dem Chor muß Respekt gezollt werden. Er zeichnete sich durch deutliche Textaussprache und eine beeindruckende Bühnenpräsenz aus. Der einzige Szenenapplaus des Abends galt zu Recht dem Chor nach dem aufwühlenden Stück Who holds himself apart Wer hält ihn von uns fern. Miriam Gordon-Stewart (Ellen Orford) konnte stimmliche Vielfalt und Differenz zeigen. Ihre Sopranstimme war sowohl an schneidenden, scharfen und lauten Stellen, als auch an innig-lyrischen sauber in der Intonation. Eine reine Intonation zeichnete auch den Gesang von Tenor McNamara aus, dennoch klang er in der Höhe im ersten und zweiten Akt manchmal etwas gepreßt, an wenigen Stellen artikulierte er undeutlich. Großartig allerdings gelang ihm die schauspielerische und stimmliche Darstellung von Peter Grimes, vor allem wie dieser dem Wahnsinn verfällt. Der Bariton Werner Kraus als Kapitän Balstrode hatte eine volltönende, klare Stimme und eine sehr deutliche Aussprache. Die anderen Solisten boten ordentliche stimmliche Leitungen, der Text war jedoch nicht immer zu verstehen. Unter ihnen stach die Mezzosopranistin Ann Juliette Schindewolff hervor. Bei der Interpretation von Mister Swallow! Mister Swallow! sang sie ihre Partie trotz der mimischen Darstellung höchster Erregung durchweg sauber.

Fazit

Nach dem schlicht inszenierten Prolog wurde dem Zuschauer in den drei folgenden Akten eine abwechslungsreiche Inszenierung mit guten Ideen geboten, unter anderem in der Schlußszene: Die Dorfbewohner nehmen Platz auf von der Decke heruntergelassenen Stühlen – eine Reminiszenz an den Prolog, was der ganzen Inszenierung einen Rahmen gibt. Nur ein Stuhl wird wieder hochgezogen, denn Peter Grimes ist aus der Dorfgemeinschaft verschwunden. Ein Schwerpunkt der Inszenierung lag auf der Deutung der psychologischen Vorgänge. So wurden zum Beispiel die nagenden Schuldgefühle im Unterbewußtsein von Grimes durch eine kleine, wandelnde Kinderleiche dargestellt, die ihn heimsucht. Musikalisch war dieser Abend auf einem ordentlichen Niveau, wozu der Chor viel beitrug. Zu Recht gab es viel Applaus.

Annika Klanke

Bild: Rillke und Sandelmann Fotografie

Das Bild zeigt: Miriam Gordon-Stewart (Ellen Orford) und Kinderstatisterie

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