Das Rheingold – Mailand, Teatro alla Scala

von Richard Wagner, Oper in vier Szenen, Libretto: Richard Wagner, UA: 1869, München.

Regie: Guy Cassiers/Enrico Bagnoli, Kostüme: Tim Van Steenbergen, Licht: Enrico BagnoliVideo: Arien Klerkx und Kurt D’Haeseleer, Choreographie: Sidi Larbi Cherkaoui

Dirigent: Daniel Barenboim, Orchestra del Teatro alla Scala, Ballett-Compagnie Eastman (Antwerpen)

Solisten: Rene Pape (Wotan), Doris Soffel (Fricka), Anna Samuil (Freia), Jan Buchwald (Donner), Marco Jentzsch (Froh), Stephan Rügamer (Loge), Johannes Martin Kränzle (Alberich), Wolfgang Albinger-Sperrhacke (Mime), Tigran Martirossian (Fasolt), Timo Riihonen (Fafner), Anna Larsson (Erda), Aga Mikolaj (Woglinde), Maria Gortsevskaya (Wellgunde), Marina Prudenskaya (Floßhilde)

Besuchte Aufführung: 19.Mai 2010 (Koproduktion mit der Staatsoper Berlin)

Kurzinhalt

Alberich wirbt um die drei Rheintöchter, die ihn aber nur verspotten. Daraufhin entsagt er der Liebe und stiehlt ihnen das Rheingold. Aus diesem Gold läßt er einen machtvollen Ring schmieden, mit dessen Kraft er sich die Nibelungen untertänig macht. Die Riesen Fafner und Fasolt haben für den Gott Wotan die Burg Walhall erbaut, und fordern nun von ihm als ihren Lohn die Göttin Freia. Doch Wotan will Freia nicht herausgeben, und der intrigante Gott Loge überzeugt ihn davon, Alberich den Ring und das Rheingold zu entreißen, um damit die Riesen zu entlohnen. Alberich verflucht den Ring. Wotan gibt den Ring an Fasolt. Fafner erschlägt seinen Bruder, die Götter ziehen in die Burg Walhall ein.

Aufführung

Guy Cassiers/Enrico Bagnolis setzen auf bühnenfüllende Videoprojektionen und zeigen bunte Farbflächen sowie abstrakte Landschaften, in denen man einen Blick auf die dunkle Welt der Nibelungen und auf einen Götterfries hat. Die Handlung erzählt Cassiers durch die Ballett-Compagnie Eastmen. Die Hauptdarsteller erhalten jeweils einen Schatten. So geschieht das mit Wotan, Fricka, den Nibelungen und den Riesen. Letztere werden als riesiger Schattenriß auf die Leinwand projiziert. Auch Drache, Kröte, Tarnhelm und die Fesselung Alberichs werden durch Ballett-Einlagen dargestellt. Deshalb kann man eigentlich nicht mehr von einer Personenführung sprechen, nur Loge, Alberich und Mime spielen noch eingeschränkt ihre Rolle. Wichtige Szenen wirken dadurch wenig konkret: Alberich raubt das Gold, indem er seine Jacke durch die Pfützen auf der Bühne zieht – den Ring gestaltet er als Glitzerhandschuh, das Lösegeld zahlt er mit Goldplatten, die man einfach aufschichtet – und wieder versenkt. Die Götter erscheinen in verschmutzten, zerrissenen Anzügen, die Damen haben ihre Kostüme im Wickel-Look umgestaltet. Die Nibelungen tragen abgewetzte historisierende, die Riesen einfache schwarze Arbeitskleidung.

Sänger und Orchester

René Papes Rollendebüt als Wotan an der Scala fiel etwas zwiespältig aus. Denn dieser berühmte Baß hatte mit den Vielschichtigkeiten der Baßbariton-Partie zu kämpfen. Gerade die höheren Abschnitte gleich zu Beginn Vollendet das ewige Werk sang er nur verhalten, die Orchestermusik übertönt ihn. Das ändert nichts an der wortgewaltigen Interpretation. Die Aufmerksamkeit an diesem Abend zog eher Johannes Martin Kränzle als Alberich auf sich. Nie die Gesangslinie verlassend, machte er deutlich, daß man diese Rolle auch singen kann und nicht als Sprechrolle gestalten muß! Und weil Wolfgang Albinger-Sperrhacke ein lyrischer, voll im Saft stehender Tenor ist und den Mime ebenfalls voll aussingen kann, wurde der Dialog Mime-Alberich zu einem Duell der selten gehörten Extraklasse. Auch Stephan Rügamer kann seine Rolle als Loge mit sängerischen Mitteln als Charakterstudie der Verlogenheit gestalten, wobei er manchmal übertrieb und seine Stimme manchmal etwas nasal klang. Ebenso glänzend aufgelegt war Anna Larsson in ihrer Paraderolle Erda, ein Hochgenuß! Ebenso herausragend hatte man die kleineren Götter besetzt, wobei Doris Soffel als Fricka, sowohl keifend zeternd als auch lyrisch schmeichelnd, sehr blaß blieb. Enttäuschend die beiden Riesen Tigram Martirossian (Fasolt), und Timo Riihonen (Fafner), die mit ihren Einsätzen zu kämpfen hatten.

Ebenfalls im Focus stand Daniel Barenboim, der die Scala als seine zweite Spielstätte entwickelt hat. Er hatte hauptsächlich sein Orchester im Blick, weniger die Sänger und sah die Oper eher als „Symphonische Dichtung“, was zu klanggewaltigen Interpretationen, wie bei den Zwischenmusiken oder dem Einzug nach Walhall führte, manchmal allerdings auch etwas zu laut – gerade für die Sänger.

Fazit

Am Ende lernt auch ein weiniger Ortskundiger die Mailänder Verhältnisse kennen: Das Publikum eilt nur flüchtig klatschend dem Ausgang zu. Nach den Ovationen für Barenboim am Anfang des Abends ein seltsames Mißverhältnis. Dabei hätte diese bildgewaltige und interpretationsfreie Inszenierung als Rampentheater gerade wegen der musikalischen Umsetzung etwas mehr Emotionen verdient. Auch das mit Spannung erwartete Rollendebüt von Rene Pape erregte das Publikum kaum.

Oliver Hohlbach

Bild: Teatro alla Scala Brescia-Amisano
Das Bild zeigt: wie die Riesen (rechts) ihren riesigen Schatten auf die Welt der Götter (Froh, Wotan und Fricka) und das unterirdische Reich der Nibelungen werfen.

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