SALOME – Mainz, Staatstheater

von Richard Strauss (1864-1949), Drama in einem Aufzug, Libretto: Richard Strauss, nach dem Drama Salomé von Oscar Wilde in der Übersetzung von Hedwig Lachmann (1903), UA: Dresden 1905
Regie: Matthias Fontheim, Bühne: Michael Rütz, Kostüme: Marc Thurow
Dirigentin: Catherine Rückwardt, Philharmonisches Staatsorchester Mainz
Solisten: Alexander Spemann (Herodes), Katherine Marriott (Herodias), Annette Seiltgen (Salome), Oliver Zwarg (Jochanaan), Sergio Blazquez (Narraboth), Almerija Delic (Page der Herodias) u.a.
Besuchte Aufführung: 10. April 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
Salome verläßt das Fest im Palast ihres lüsternen Stiefvaters Herodes und hört die Stimme des Propheten Jochanaan, den Herodes eingesperrt hat. Sie überredet Narraboth, ihn herauszuholen, obwohl Herodes dies verboten hat. Salome will den Propheten berühren, doch er weist sie ab, verflucht sie und kehrt ins Gefängnis zurück. Das Herrscherpaar erscheint mit den Gästen. Herodes bittet Salome, für ihn zu tanzen und verspricht ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Nach dem Tanz fordert Salome den Kopf des Jochanaan. Herodes kann sie nicht davon abbringen und läßt Jochanaan enthaupten. Salome empfängt den Kopf und küßt die toten Lippen. Herodes befiehlt seinen Wachen, sie zu töten.
Aufführung
Matthias Fontheim, Intendant des Mainzer Staatstheaters, hält dem Publikum seiner Inszenierung buchstäblich den Spiegel vor: Das Bühnenbild besteht aus gewellten Spiegelwänden und einem Brunnen in der Mitte. Die Zisterne, in der Jochanaan – wie ein Holzfäller gekleidet und bärtig – festgehalten wird, wird zum Käfig, der an Seilen von der Decke sinkt. Ein Halleffekt läßt seine Stimme wie aus der Ferne erklingen. Die Gesellschaft ist in blaue (Juden) und braune (Nazarener) Anzügen gekleidet, Herodias trägt ein rotes Kleid mit roter Strumpfhose und ist über die Maßen geschminkt. Herodes‘ rosa Hemd unter dem Anzug paßt farblich nicht zum Kleid seiner Frau. Salome tritt in luftigem gelbem Sommerkleid auf.

Einer der eindrucksvollsten Momente ist die letzte Verfluchung der Salome durch Jochanaan: Hier wird die Kraft des Orchesters mit den unheilvollen Harmonien von dem nach oben entschwindenden Käfig und einer verzweifelten Salome ergänzt, die vergeblich versucht, sich an den Käfigstäben festzuhalten. Der Tanz der Salome wird von 15 Doppelgängerinnen aufgeführt, die den Festgästen die Kleider vom Leib reißen und schließlich das Publikum betören. Der Kopf des Jochanaan, den Salome so vehement gefordert hatte, erscheint in Fontheims Inszenierung schließlich im herabsinkenden Käfig ohne Silbertablett. Er wirkt realistisch: Aus den abgetrennten Adern tropft noch das Blut.
Sänger und Orchester
Annette Seiltgen (Salome) ist die Glanzbesetzung des Abends. Gesanglich erhebt sie sich in strahlende Höhen und meistert die anspruchsvolle und textreiche Partie mit unglaublicher Beweglichkeit und deutlicher Aussprache. Mit ihrer vollen Stimme ist sie die einzige, die sich mühelos gegen das laute Orchester durchzusetzen vermag. Schauspielerisch liefert sie eine ebenso glaubwürdige wie zwiespältige Salome ab: Zu Beginn steht sie gelangweilt im Zuschauerraum, später zeigt sich ihr Entzücken für den faszinierenden Propheten. Mit den Blicken der Männer spielt sie lasziv und berechnend. Oliver Zwarg (Jochanaan) läßt mit seinem kraftvollen Bariton seine Prophezeiungen imposant erklingen. Auch Alexander Spemann (Herodes) präsentiert eine starke Stimme und schauspielerisches Talent. Lüstern blickt er Salome nach, vor dem Flattern in der Luft duckt er sich unter sein Sakko. Beeindruckend ist die Stelle, als Salome ihr fatalen Wunsch äußert: Herodes‘ anfängliche Neugier wandelt sich schlagartig in Entsetzen über das Ungeheuer Salome. Katherine Marriott (Herodias) stellt eine eifersüchtige, schrille und hysterische Ehefrau dar. Catherine Rückwardt gelingt es nur selten, das Orchester ausreichend zu zügeln. An vielen Stellen ist es zu lärmend und insbesondere das Blech gibt den Sängern wenig Chancen, sich zu behaupten. Zudem ist der instrumentale Klangteppich oft wenig transparent.
Fazit
Gesanglich ein überzeugender Opernabend, der allein schon der Titelbesetzung wegen lohnt. Wenngleich ein düsterer Wunsch das Werk umhüllt, ist die Mainzer Salome durch die schauspielerischen Leistungen amüsant geraten. Ein kurzweiliger Opernabend.

Julia Korst

Bild: Martina Pipprich
Das Bild zeigt: Herodes (Alexander Spemann, 5. v.l.),Salome (Annette Seiltgen, vorne) und die Festtagsgesellschaft (v.l.: Agustín Sánchez Arellano, Ion Grigorescu, Milen Stradalski, Stefan Schiffter, Annette Seiltgen, Alexander Kröner, Elisabeth Stradalski, Patrick Hörner)

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