DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG – Kassel, Staatstheater

von Richard Wagner (1813-1883) in drei Aufzügen, Text vom Komponisten, UA: 1868 München
Regie: Lorenzo Fioroni, Bühne und Video: Paul Zoller
Dirigent: Patrik Ringborg, Staatsorchester Kassel, Opernchor, Extrachor, Kinderchor des Staatstheaters Kassel, Konzertchor Kassel und Kantorei Kirchditmold
Solisten: Wolfgang Brendel (Hans Sachs), Mario Klein (Veit Pogner), Espen Fegran (Sixtus Beckmesser), Erin Caves (Walther von Stolzing), Tobias Schabel (Fritz Kothner), Johannes An (David), Sara Eterno (Eva), Lona Culmer-Schellbach (Magdalene), Igor Durlovski (Nachtwächter), u.a.
Besuchte Aufführung: 13. Februar 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
kassel-meistersinger.jpgDer Ritter Walther von Stolzing liebt Pogners Tochter Eva. Sie soll demjenigen zur Frau gegeben werden, der den Meistersingerwettstreit gewinnt. Die Meistersingervereinigung lehnt die Aufnahme des Ritters zunächst wegen seines nicht regelkonformen Probeliedes ab. Allein der Schuster Hans Sachs tritt für ihn ein und erkennt sein Talent. Auch der Stadtschreiber Beckmesser interessiert sich für Pogners Tochter, doch am Ende ist es Walther, der den Wettstreit und damit Eva gewinnt.
Aufführung
Ein Video von Paul Zoller zeigt zum Vorspiel den langsamen Niedergang eines Theaters. Der erste Aufzug spielt in der Jetztzeit, in dessen Ruinen. Für den Wiederaufbau hat der Staatsrat Stolzing gerade den Grundstein gelegt. Bei der Feier verliebt er sich in Pogners Tochter Eva, die zusammen mit Magdalene das Catering besorgt. Pogner gehört zum alten Ensemble des Theaters, das sich heimlich in den Ruinen trifft und spielt, dem Neuling Stolzing jedoch die Aufnahme verweigert. Der zweite Aufzug spielt im Hinterhof eines modernen Wohnblocks, der Flieder ziert das Treppenhaus, Beckmesser erscheint als Musikclown. Die Prügelfuge wird von der Polizei beendet. Sachs und Stolzing wachen am nächsten Tag in einer Ausnüchterungszelle auf, Besucher und Verhaftete kommen und gehen. Nach der Entlassung trifft man sich zur Wiedereröffnung des Theaters, die Clown-Meister ziehen in Kostümen ein, als Grock oder Oleg Popow. Das Preislied Stolzings reißt alle mit, und man verkleidet sich als Clown. Doch die Clown-Meister-Gesellschaft hat sich überlebt, Stolzing und Eva sowie David und Magdalene haben sich abgesetzt, die Welt versinkt im Dunkel. Da versucht Sachs einen letzten Funken Licht in seinem Hut einzufangen um die Flamme für die Zukunft zu bewahren.
Sänger und Orchester
Mittelpunkt dieser Produktion ist unstrittig Wolfgang Brendel. Sein Sachs – seit 1993 singt er diese Partie – ist immer noch mit weich-volltönender Stimme maßstabsetzend. Ihm ebenbürtig ist Erin Caves als Stolzing. Baritonal durchschlagsstark fundiert, hat er keinerlei Probleme mit den hohen Tönen und kann mit dem Preislied im dritten Aufzug glänzen. Der dritte im Bunde der besten Rollengestalter ist Espen Fegran als Beckmesser. Als Spielbariton par excellence zeigt er, daß schauspielerische Stimmgestaltung und melodiöser Gesang perfekt zusammenpassen können. Der exponiert hohe Ton auf blüh und wachs wird voll ausgesungen und nicht gekrächzt. Erwähnenswert ist auch, daß alle kleinen Meisterpartien absolut zufriedenstellend besetzt wurden. Allen voran zu nennen sind Mario Klein als Pogner und Tobias Schnabel als Kothner. Sara Eterno (Eva) ist eher ein dramatischer als ein jugendlicher Sopran und besitzt zwar eine sichere Höhe, die jedoch nicht ohne Schärfen ist. Johannes An als David hat eine strahlende baritonale Mittellage, seine hohen Passagen stemmt er jedoch meist im Falsett oder im Sprechgesang. Lona Culmer-Schellbach ist als Magdalene eher ein Mezzo als ein Spielalt.
Das Orchester und der Chor erwecken unter der Leitung von Patrik Ringborg den Eindruck, daß die Probenzeit nicht ausreichend war. Zwar gelingt es dem Orchester, eine sehr ausgefeilte Klanglinie zu ziehen. Daß es neben der Melodieführung aber auch Begleitfunktion hat, wird manchmal übersehen, dann wird es zu laut im Orchestergraben. Auch die fünf Chöre hatten Abstimmungsprobleme, Einsätze wie in der Prügelfuge waren wackelig. Der Lehrbubenchöre und der Wacht-auf-Chor gelangen hingegen einwandfrei – sogar mit den vieldiskutierten Generalpausen zwischen „Wacht“ und „auf!“
Fazit
Ein Opernabend, der sicherlich lange im Gedächtnis bleiben wird wegen Wolfgang Brendel als überragendem Sängerdarsteller und weil Regisseur Lorenzo Fioroni eine bunte und beindruckend poetische Optik und Personenführung gelingt, die dem Werk und dem Ziel seines Komponisten gerecht wird. Mit viel Komik wird der Streit um die „rechte Kunst“ in Szene gesetzt. Viel Arbeit hinter der Bühne war nötig für die 600 Kostüme und die Maske der vielen Clowns. Das Publikum bedankte sich mit langem und donnerndem Applaus bei allen Beteiligten.
Oliver Hohlbach

Bild: Dominik Ketz
Das Bild zeigt: Bei Wieland Wagner war die Festwiese eine Shakespeare-Bühne, in Kassel ein Revuetheater mit weißen Tischen

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