Bremen, Theater am Goetheplatz – DIE FLEDERMAUS

von Johann Strauß d.J. (1825-1899), Operette in drei Akten, Text: Richard Genée nach der Komödie Le Réveillon von Henri Meilhac und Ludovic Halévy, deutsche Bearbeitung: Karl Haffner, UA: 1874, Wien
Regie: Christian Schuller, Ausstattung: Jens Kilian, Choreographie: Jacqueline Davenport, Licht: Christian Kemmetmüller
Dirigent: Markus Poschner, Bremer Philharmoniker und Chor, Einstudierung: Tarmo Vaask
Solisten: Jochen Kupfer (Gabriel von Eisenstein), Patricia Andress (Rosalinde), Karsten Küsters (Frank), Nadja Stefanoff (Prinz Orlofsky), Christian-Andreas Engelhardt (Alfred), Moritz Gogg (Dr. Falke), Sara Hershkowitz (Adele), Wolfgang Stumph (Frosch, Sprechrolle)
Besuchte Aufführung: 11. Dezember 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
bremen-fledermaus.jpgDr. Falke rächt sich für die Bloßstellung, die er durch seinen Freund Gabriel von Eisenstein erfahren hat, indem er ihn, der eigentlich ins Gefängnis muß, auf ein nächtliches Fest mitnimmt. Dort beim Prinzen Orlofsky gibt sich Eisenstein als Marquis aus und ist von einer ungarischen Gräfin fasziniert. Tatsächlich ist es seine verkleidete Frau Rosalinde, die er nicht erkennt. Diese ist von Falke auf das Fest gelockt worden mit dem Hinweis, ihr Ehemann sei dort und nicht im Gefängnis. Sie nimmt ihm seine Taschenuhr ab und beweist später damit seine Untreue. Rosalinde hat ihrerseits auch ein Techtelmechtel hinter sich, indem sie sich während der Abwesenheit ihres Gatten mit ihrem Verehrer Alfred traf, der anstelle ihres Gatten ins Gefängnis ging. Berauscht schließen Einsenstein und der Gefängnisdirektor Frank auf dem Fest Freundschaft. Am nächsten Morgen kommt das große Erwachen: Eisenstein soll nun seine Strafe absitzen, findet aber Alfred in seiner Zelle vor, wodurch er durchschaut, was seine Frau getan hat, aber er muß sich zurückhalten angesichts der wieder aufgetauchten Taschenuhr, die seine Frau ihm als Marquis abgenommen hatte.
Aufführung
Während der Ouvertüre begegnen sich Eisenstein und Falke als Schmetterling und Fledermaus verkleidet. Dann öffnet sich der Vorhang zu den beiden ersten Akten, in denen Bühnenbild wie Kostüme in rot-schwarzen Farbtönen gehalten sind. Demgegenüber dominieren die grau-grünen Papp-Gefängnismauern im dritten Akt, auf denen Tür und Schubladen mit Kreide aufgemalt werden, um sie dann zu öffnen. Auf einer dreh- und senkbaren Scheibe, die sich in einem wie eine Kameralinse auf und zugehenden Loch befindet, treffen sich Rosalinde und ihr Verehrer Alfred zu ihrem Schäferstündchen, sie im Dirndl, er mit wallenden weißen Umhängen und einer riesigen Federboa auf dem Kopf. Prinz Orlofsky ist eine schön anzuschauende Frau mit abstehendem Blondhaar und schwarzem netzartigen Kostüm. Zusammen mit der strapsbestrumpften und in einer Korsage steckenden Kammerzofe Adele bewegt sie sich in einem gläsernen Trichter.
Christian Schuller setzt die kaiserlich-königliche Operette weder in die Jetzt-Zeit, noch hängt er ihr Gesellschaftskritisches an. Er peppt das Libretto mit schönen, teilweise erotisch anmutenden, symmetrischen Phantasiebildern auf. Anstelle eines Walzers wird auf Rollschuhen getanzt, es schwingt Ironie auf allen Ebenen mit. Der sächselnde Wolfgang Stumph als Gefängniswärter Frosch gibt seine Sprechrolle mit einer kabarettistischen Einlage zu aktuellen politischen und kulturellen Themen, die den Verlauf der Operette unterbricht.
Sänger und Orchester
Die Operette wird erst durch die mitreißende und meisterhaft orchestrierte Komposition von Johann Strauss zum Erlebnis. Gleich zu Beginn stellt schon die motivreiche Ouvertüre an alle Musiker höchste Anforderungen. Die Bremer Philharmoniker unter ihrem Dirigenten Markus Poschner meisterten alles mit Bravour. Der Chor tanzt zu Beginn des zweiten Aktes konfettiwerfend durch die Türen des Zuschauerraumes auf die Bühne und präsentiert die bekannten Melodien mit klangstarker Bühnenpräsenz. Alle Sänger mit Ausnahme des stimmlich etwas abfallenden Christian Andreas Engelhard (Alfred) singen auf hohem Niveau. Allen voran überzeugen die Stimmen von Jochen Kupfer (Eisenstein), Sara Hershkowitz (Adele) und Nadja Stefanoff (Prinz Orlofsky). Dazu spielen sie mit gekonnter Übertreibung. Patricia Andress’ (Rosalinde) volle Opernstimme wirkt etwas schwerfällig und die von ihr verkörperte ungarische Gräfin etwas zu brav, doch paßt sie schauspielerisch gut zu ihrem dümmlichen Liebhaber Alfred. Auch Moritz Gogg (Dr. Falke) und Bert Coumnas (Dr. Blind) liefern eine stimmige Leistung ab.
Fazit
Wider Erwarten und nach der Blamage an der Berliner Staatsoper eine wohl gelungene Aufführung, die in schön gestalteten Bildern schwelgt und dem Rauschhaften in dieser Operette nachkommt. Stimmlich und musikalisch bewegt sie sich auf höherem Niveau als so manche Operninszenierung und das – was in den heutigen Zeiten bemerkenswert ist – nirgends unter die Gürtellinie gehend oder in den Klamauk abgleitend.
Carola Jakubowski

Bild: Jörg Landsberg

Das Bild zeigt: Sara Hershkowitz (Kammerzofe Adele) und Nadja Stefanoff (Prinz Orlofsky)

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