Stockholm, Königliche Oper – PIQUE DAME

von Peter Tschaikowski (1840 – 1893), Oper in 3 Akten, Text von Modest Tschaikowski nach einer Novelle von Alexander Puschkin
UA: St. Petersburg 1890
Regie: Dmitri Bertman, Bühnenbild und Kostüm: Hartmut Schörghofer, Licht: Hans-Åke Sjöquist, Choreographie: Edvald Smirnov
Dirigent: Christian Badea, Königliche Hofkapelle
Chor der Königlichen Oper, Einstudierung: Folke Alin und Christina Hörnell; Schüler der Adolf-Fredrik-Schule, Einsudierung: Pelle Olofson
Solisten: Stefan Dahlberg (Herman), Marcus Jupither (Graf Tomski), Jesper Taube (Fürst Jeletzki), Ulrik Qvale (Tschekalinski), Lennart Forsén (Surin), Niklas Björling Rygert (Tschaplitzki, Zeremonienmeister), Michael Schmidberger (Narumow), Ingrid Tobiasson (Gräfin), Inessa Galante (Lisa), Erika Sax (Pauline), Agneta Lundgren (Gouvernante), Annica Nilsson (Masja), Gunda-Marie Bruce (Chloë)
Besuchte Aufführung: 7. September 2009

Kurzinhalt
stockholm-pique-dame.jpgDer Offizier Herman verliebt sich in Lisa, die Verlobte des Fürsten Jeletzki. Zugleich erfährt er von seinen Freunden, daß deren Großmutter, die alte Gräfin, dank einer geheimnisvollen Kartenkombination beim Spiel ein Vermögen gewonnen hat. Herman beschließt, der Gräfin dieses Geheimnis zu entreißen und überrascht sie deswegen bei Nacht in ihrem Gemach. Doch bevor sie es verraten kann, stirbt sie vor Schreck. Lisa, die Herman ihrerseits ihre Liebe gestanden hat, realisiert nun, daß es ihm mehr um das Kartenspiel als um sie selber geht und begeht Selbstmord. Herman beginnt seinen Verstand zu verlieren. Der Geist der toten Gräfin erscheint ihm und verrät ihm die entscheidende Kombination von drei Karten. Doch als er darauf setzt, stellt sich kein Erfolg ein. Er erkennt seine ungeheure Verfehlung und nimmt sich das Leben.
Aufführung
Kostüm und Dekoration zeigen authentisches russisches 19. Jahrhundert. Das gilt allerdings nicht für die Personenregie, die gelegentlich surreal verfremdend oder ironisierend ist, ohne die originale Handlung jedoch anzutasten. Zumeist ist sie konventionell realistisch gehalten und macht es Publikum wie Darstellern damit leicht, sich in die Charaktere hineinzuversetzen. Über das Bühnenbild kann nur mit Einschränkungen berichtet werden, weil die Bühnentechnik – es handelt sich noch um die originale Technik von 1898, also aus dem Jahr der Erbauung der Königlichen Oper, die im nächsten Jahr modernisiert werden soll – streikte. Was man zu sehen bekam, hatte einen illusionistischen Anstrich.
Sänger und Orchester
Darstellerisch und stimmlich überragend ist Marcus Jupither in der Rolle des Grafen Tomski. Mit ungezügelter Spielfreude zeichnet er ein scharfes Profil dieser burlesken Figur und vermag seine Baßbaritonstimme sprecherisch fein abgetönt zum Einsatz zum bringen. Die beiden weiblichen Hauptpartien des Werkes, Lisa und Gräfin, stellen weniger wegen der virtuosen Passagen als wegen der so leise wie möglich zu singenden Abschnitte eine große Herausforderung für die Solistinnen dar, denn ein ausgeglichener leiser Stimmklang ist nur mit absoluter technischer Perfektion sicher herauszubringen. Über diese Sicherheit verfügen beide Sängerinnen, Inessa Galante und Ingrid Tobiasson, und erhielten dafür auch verdienten Szenenapplaus. Stefan Dahlberg als Herman kam bei den massiv begleiteten Stellen seiner Partie stimmlich an seine Grenzen, bewährte sich jedoch als Darsteller gut. Uneingeschränkt zu loben ist der Dirigent Christian Badea für seine hervorragende Koordinierung von Sängern und Orchester und die dynamisch-klanglich hochdifferenzierte Interpretation des Textes. Ohne ins Seichte abzudriften gelang es ihm, das düstere Pathos der Musik, das viele Dirigenten zu einem dunklen, schwerfälligen und damit oft recht eintönigen Klang verleitet, so aufzulockern, daß die Handlung sich zügig entwickeln konnte. Er vermochte mit anderen Worten nicht durch permanentes Espressivo, sondern durch Zurückhaltung zu beeindrucken, und das Orchester spielte dementsprechend eindringlich, aber unaufdringlich.
Fazit
Dank der historischen Kostüme und der – von einigen wenigen Zugeständnissen an das moderne Regietheater abgesehen – konventionellen Personenführung erwartet den Zuschauer ein regelrechter Augenschmaus. Dirigent, Orchester und Sänger wiederum bieten dem Zuhörer eine derart abwechslungsreiche und durchdachte Wiedergabe der Musik Tschaikowskis, daß das an sich recht lange Werk ungemein kurzweilig daherkommt. Mit Sicherheit eine der gelungensten Produktionen aus dem Repertoire der Stockholmer Oper.

Dr. Martin Knust

Bild: Alexander Kenney
Das Bild zeigt: Ingrid Tobiasson als Gräfin

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