Elektra – Dresden, Semperoper

von Richard Strauss (1864-1949, Tragödie in einem Aufzug, Libretto: Hugo von Hofmannsthal, UA 25. Januar 1909, Dresden.
Regie: Barbara Frey, Bühne: Muriel Gerstner, Kostüme: Bettina Walter, Licht: Gérard Cleven, Choreinstudierung: Pablo Assante, Dramaturgie: Micaela v. Marcard

Dirigent: Christian Thielemann, Sächsische Staatskapelle und Staatsopernchor Dresden

Solisten: Evelyn Herlitzius (Elektra), Anne Schwanewilms (Chrysothemis ), Waltraud Meier (Klytämnestra), Frank van Aken (Aegisth), Rene Pape (Orest), Peter Lobert (Pfleger des Orest), Romy Petrick (Vertraute), Ute Selbig (Schleppträgerin), Simeon Esper (junger Diener), Matthias Henneberg (alter Diener), Nadine Secunde (Aufseherin), Constance Heller, Gala El Hadidi, Christa Mayer, Rachel Willis-Sorensen, Nadja Mchantaf (Mägde).

Besuchte Aufführung: 19. Januar 2014 (Premiere)

Kurzinhalt

Klytämnestra hat mit ihrem Buhlen Aegisth ihren Mann, Agamemnon, im Bad erschlagen, der Sohn Orest wurde in Sicherheit gebracht, Tochter Elektra muß sich schlimmste Demütigungen gefallen lassen und lebt nur noch für den Tag, an dem Orest Vergeltung üben wird. Da wird die vermeintliche Todesnachricht von Orest überbracht. Die Schwester Chrysothemis flieht, als Elektra das Beil, mit dem der Vater erschlagen wurde, in wilder Entschlossenheit ausgräbt. Als der Trauerbote sich als ihr Bruder Orest zu erkennen gibt, mahnt Elektra die rächende Sühne an. Als Aegisth naht, führt ihn Elektra scheinbar freundlich ins Haus, wo auch er gerichtet wird. In übermäßiger Freude beginnt sie einen wilden, ekstatischen Tanz, bevor sie tot zusammenbricht.Elektra_klein

Aufführung

Wir befinden uns einem mit Sperrholz getäfelten Raum, dessen Zweck über den Wahlspruch Justitia Fundamentum Regnorum – Gerechtigkeit ist die Grundlage der Königreiche definiert werden soll. Es war der Wahlspruch des Kaisers Franz I. und findet sich am äußeren Burgtor in Wien. In der Täfelung sind mehrere Durchgänge eingelassen, für Klytämnestra gibt es ein Portal, das sich für sie öffnet. Links befindet sich eine Nische, in der Elektra in einem verwahrlosten gelben Abendkleid lebt. Im ersten Stock sieht man einen Balkon und ein Badezimmer. Die Holzfließen des Bodens befinden sich in Auflösung, einige Paneele der Wand sind herausgelöst. Die Garderobe (vom Ledermantel des Orest bis zum blauen Herren-Anzug des Aegisth) ist vage der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zuzuordnen.

Sänger und Orchester

Die Staatskapelle Dresden und Christian Thielemann sind in ihrem Element. Dabei gelingt es Thielemann, die ekstatische Raserei im Orchester zu bändigen. Er verzögert das Tempo, schafft gefühlte Generalpausen, wo eigentlich keine sind, und treibt die Spannung zu immer neuen Höhepunkten.

Es ist ein Glücksfall, wie viele altgediente Wagner-Strauss-Heroen diesen musikalischen Höllenritt möglich zu machen. Allen voran ist da Evelyn Herlitzius in der Titelrolle zu nennen. Ihr hochdramatischer Sopran weist viele Schärfen auf, mit Kraft gelingen ihr die psychopathischen Haßausbrüche der Elektra mehr als glaubhaft. Gerade im Dialog mit Aegist oder Orest gelingen ihr aber auch Pianos, die im Orchesterklang zu schweben scheinen. Ähnliches kann man auch über Waltraud Meier als Klytämnestra sagen. Manchmal trifft sie einen keifigen, hämischen Ton, kann aber die Stimme zum Fortissimo ausfahren ohne die Gesangslinie zu verlieren. Ebenfalls eine Weltklasse-Leistung zeigt Rene Pape als Orest. Dieser „Basso cantante“ mit der weichen, warmen, aber dennoch volltönenden und durchschlagsstarken Stimme singt er voll aus und gibt einem labilen Menschen eine nachdenkliche Stimme. Anne Schwanewilms hat Probleme mit der Gesangslinie der Chrysothemis. Hier erwartet man einen jugendlichen, schwebend leichten, lyrischen Klang. Dieses Idealbild erreicht sie nicht, es wirkt schrill und klingt eng, die Höhen sind problematisch. Auch Frank van Aken kann der Rolle des Aegisth wenig abgewinnen. Die kleinen Rollen konnten durchwegs gut besetzt werden, bemerkenswert das Zusammenspiel zwischen den fünf Mägden und der Aufseherin.

Fazit

Musikalisch ist der Abend ohne jeden Zweifel eine der Sternstunden für die Semperoper, schließlich gilt es am Uraufführungsort eine Tradition zu wahren. Ein zwiespältiger Jubel füllt die ehrwürdigen Halle der Semperoper: Während die musikalische Leistung als Meilenstein in der Dresdener Aufführungsgeschichte lautstark gefeiert wird (mit Schwerpunkt Staatskapelle, Thielemann, Herlitzius und Meier) wird die Inszenierung doch mit dem einen oder anderen Buh-Ruf bedacht. Sei es, weil die Dresdener der langjährigen Ruth-Berghaus-Inszenierung nachtrauern, sei es, weil man doch etwas mehr am Uraufführungsort erwartet hat – etwa ein packendes Bühnenbild für eine griechische Tragödie und weniger Preßspanplatten eines beliebigen Verwaltungsraumes, und auch keine Personenregie, die zwar allen Darstellern Freiräume ermöglicht, jedoch dabei einer konzertanten Aufführung sehr nahe kommt: So ist der wilde Tanz der Elektra im Finale nur ein müdes Wälzen am Boden. Allerdings kann man prognostizieren, daß man diese nichtssagende Inszenierung ohne Probleme jahrzehntelang aufführen kann.

Oliver Hohlbach

 

Photograf: Matthias Creutziger

Das Bild zeigt: Evelyn Herlitzius (Elektra)

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