DAS RHEINGOLD – Paris, Opéra National (Bastille)

von Richard Wagner, Vorspiel in einem Akt zum Ring des Nibelungen, Text: Richard Wagner, UA: 22. September 1869 München, Königliches Hof- und Nationaltheater

Regie: Günter Krämer , Bühne: Jürgen Bäckmann, Kostüme: Falk Bauer, Licht:  Diego Leetz, Choreographie: Otto Pichler,Videobilder: Stefan Bischoff

Dirigent: Philippe Jordan, Orchestre de l’Opéra National de Paris

Solisten : Thomas Johannes Mayer (Wotan), Samuel Youn (Donner), Bernard Richter (Froh), Kim Begley (Loge),  Peter Sidhom (Alberich),  Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (Mime),  Lars Woldt (Fasolt), Günther Groissböck (Fafner), Sophie Koch (Fricka), Edith Haller (Freia), Qiu Lin Zhang (Erda), Caroline Stein (Woglinde), Louise Callinan (Wellgunde), Wiebke Lehmkuhl (Flosshilde)

Besuchte Aufführung: 29. Januar 2013 (Premiere)

Vorbemerkung

Diese Aufführung war Teil der  Pariser Neuinszenierung der Tetralogie von 2010/11. Nur Die Walküre, Siegfried und Götterdämmerung wurden damals besprochen (OPERAPOINT 10/3, 11/2-3 2011). Zur Wiederaufnahme des Ring zum Wagnerjahr rezensieren wir nun Das Rheingold.

Kurzinhalt

Der Zwerg Alberich entreißt den Rheintöchtern das Rheingold, aus dem sich ein Ring der absoluten Macht schmieden läßt, wenn man der Liebe abschwört. Die Riesen Fasold und Fafner haben den Göttern die Burg Walhalla gebaut und fordern nun den ausgemachten Lohn: Freia, die Göttin der ewigen Jugend. Doch Wotan weigert sich sie herauszugeben Daraufhin entführen die Riesen Freia und verlangen als Lösegeld das von Alberich gestohlenene Rheingold. Wotan gelingt es, Alberich nicht nur das Gold und den Ring, sondern auch seinen Tarnhelm zu entreißen. Hintergangen und ohnmächtig belegt Alberich den Ring mit einem Fluch. Die Riesen verlangen nun Wotans Beute gegen Freias Freiheit. Auf Erdas Rat überläßt Wotan seinen Schatz, und auch den Ring den Riesen. Vom Fluch des Rings getroffen tötet Fafner seinen Bruder Fasold, um allein mächtig zu sein. Die Götter ziehen in ihre neue Burg ein.

Aufführung

Die Oper öffnet mit den drei Rheintöchtern in langen weißen Glitzerkleidern auf Schaukeln vor einer Rauchkulisse, in der sich unzählige, rot beleuchtete Hände drehen. Dahinein erscheint Alberich, unappetitlich und unrasiert, in Hosen, Hosenträgern und Unterhemd. Die Götter als dekadente, gelangweilte High-Society-Figuren in weißen Anzügen und hellen Abendkleidern vor und auf einer Weltkugel-Halbsphäre. Die verdeckte Nacktheit wird – wie bei den Rheintöchtern – auch bei den Göttinnen auf die Kleider gemalt. Loge ist der alles arrangierende, über den Dingen stehende zynische Clown. Die Riesen als Revoluzzer in dunkelgrauen Spezialeinsatzuniformen mit roten Fahnen. Eindrucksvoll, und offensichtlich vom Film Metropolis inspiriert, das Nibelheim-Bergwerk der Zwerge mit einem riesigen, die Goldkugel zersägendem Pendel über der Bühne, rechts und links davon knieende Zwerge als Bergleute. Das alles durch Spiegeleffekte verstärkt.

Eindrucksvoll der langsame, schweigende Gang Erdas durch die Dunkelheit während des Orchesterzwischenspiels. Walhalla in der Schlußszene, als strahlende Burg aus Licht und Stahl, bevor sie sich in eine bühnenhohe Treppe verwandelt, auf der aufgereihte Statisten in schwarz-weißer Turnkleidung „Leni-Riefenstahl-Olympiade-Photos“ heraufbeschwören.

Sänger und Orchester

Caroline Stein, Louise Callinan und Wiebke Lehmkuhl als Rheintöchter eröffnen den Abend mit wohlklingendem, fröhlichem Dreigesang. Peter Sidhoms grotesker Alberich nimmt eigentlich nur in der Fluchszene: Wie durch Fluch er mir geriet, verflucht sei dieser Ring! (4. Szene), stimmlich und szenisch halbwegs die tragisch-unheimliche Dimension an. Thomas Johannes Mayer ist mit schön timbrierter, warmer, wenn auch nicht sehr großer Baritonstimme der lethargische Wotan. Sophie Koch singt mit sinnlich-klangvollem, immer gut kontrolliertem Mezzo eine hervorragende Fricka, Edith Haller ist die jugendlich-frische, stimmlich manchmal etwas unkontrollierte Freia. Kim Begleys metallischer, fast vibratofreier Tenor kommt in der Rolle des zynischen, alles arrangierenden, Abstand haltenden Loge oft dem Sprechgesang nahe, er clownt und witzelt vergnüglich. Günther Groissböck und Lars Woldt  sind mit kräftigen Baßstimmen das Riesenbrüderpaar Fafner und Fasold.  Qui lin Zang singt mit ihrem tiefen, geheimnisvollem Timbre den prophetischen Monolog Erdas, Wie alles war, weiß ich; wie alles wird, wie alles sein wird, seh’ ich auch (4. Szene). Unter den Göttern befinden sich noch Bernhard Richter mit schönem, hellem Tenor als Froh, und Samuel Youn mit kraftvollem Bariton als Donner, in Alberichs Schmiede schmachtet Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als Mime.

Philippe Jordan dirigierte die Solisten und das Orchestre de l’Opéra National mit seinen strahlenden Blechbläsern, in klaren, kraftvollen Linien.

Fazit

Trotz einiger eindrucksvoller Bilder, die eine moderne, visuell tiefergehende, mythische Darstellung der Oper hätte ergeben können, sank die Inszenierung bedauerlicherweise wieder weitgehend auf das, von den anderen Ringopern dieser Inszenierung bekannte Krämer-Bäckmann-Bauer slapstick-Niveau herab.

Schade, die musikalisch gelungene Aufführung hätte eine entsprechendere Inszenierung verdient. Es gab dennoch viel Beifall.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: Charles Duprat

Das Bild zeigt: Sophie Koch (Fricka), Lars Woldt (Fasolt), Edith Haller (Freia) et Samuel Youn (Donner)

 

Veröffentlicht unter Opern, Paris, Opéra Bastille