Nürnberg, Staatstheater – BENVENUTO CELLINI

von Hector Berlioz (1803-1869); Oper in zwei Akten von De Wailly und Barbier; UA: 1838, Paris
Regie und Choreographie: Laura Scozzi, Bühne: Barbara de Limburg, Kostüme: Jean Jacques Delmotte
Dirigent: Guido Johannes Rumstadt, Nürnberger Philharmoniker, Chor des Staatstheaters Nürnberg, Tänzer des Ballett-Ensembles.
Solisten: Jean-Francis Monvoisin (Benvenuto Cellini, Goldschmied), Rainer Zaun (Giacomo Balducci, päpstlicher Schatzmeister), Melih Tepretmez (Fieramosca, Bildhauer), Hrachuhi Bassenz (Teresa, Tochter von Balducci), Jordanka Milkova (Ascanio, Lehrling von Cellini), Guido Jentjens (Papst Clemens VII), Kalle Kanttila (Franceso, Handwerker), Vladislav Solodyagin (Bernardino, Handwerker), Richard Kindley (Pompeo, Mörder).
Besuchte Aufführung: 18.Oktober 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
nurnberg-benvenuto-cellini.jpgTeresa, Tochter des Päpstlichen Schatzmeisters Balducci, liebt den Künstler und Schwerenöter Benvenuto Cellini. Dieser hat vom Papst Clemens VII. den Auftrag, eine Perseus-Statue zu gießen, arbeitet aber nicht daran und fordert statt dessen einen weiteren Vorschuß. Balducci würde gerne seine Tochter mit dem Bildhauer Fieramosca verheiraten. Cellini will Teresa im Trubel des Karnevals entführen. Fieramosca belauscht diesen Plan und versucht seinerseits, ebenfalls Teresa auf dem Karneval-Theaterfest zu rauben. Der Plan scheitert. Cellini tötet im Handgemenge Pompeo, kann aber fliehen. Am Aschermittwoch kehrt Cellini in sein Atelier zurück, da erscheint der Papst und gewährt er ihm eine Gnadenfrist bis zum Abend – dann muß die Statue endlich gegossen sein. Es scheint alles gut zu gehen, selbst ein Ausstand seiner Arbeiter kann gütlich beendet werden, plötzlich aber mangelt es an Bronze. Erst durch die Opferung seiner Kunstwerke kann der Perseus zu Ende gegossen werden. Cellini erhält Absolution bzgl. des Mordes und die Hand seiner Teresa.
Aufführung
Zugegeben, die Inhaltsangabe läßt auf ein etwas dröges Werk schließen bzw. eine mäßig unterhaltsame Karnevalskomödie. Laura Scozzi verlegt die Handlung abstrahiert ins Hier und Heute, macht eine bunte, durchgeknallte Karnevalsgroteske daraus. Damit beweist sie, daß durch Anwendung aller konventionellen Möglichkeiten unterhaltsames, werkgetreues und niveauvolles Theater möglich ist. Sie zitiert dazu Elemente der Commedia dell’ arte mit klassischem Ballett, modernistische Tanzstile, die ätzende Karnevals-Satire unserer Tage und die Kino-Meisterwerke Hollywoods und Italiens. Dazu gehört auch eine umfangreiche und ungewöhnliche Zusammenstellung von Exponaten aller Kunstrichtungen (Madonna auf einem mitdenkenden Kaffeeautomaten) und eine ausgefeilte Bewegungsregie für Chor, Ballett und Statisten. Immer wieder entstehen eindrucksvolle und überraschende Momente, verstärkt durch witzige Gags und bunte Details in der Ausstattung – so viele, daß man nicht alle hier schildern kann: Vom römischen Hausfrauen-Ballett in Schürze und Wischmob, von Kellneraufläufen wie in Filmen von Fellini bis hin zu lasziven Nonnen mit seligem Grinsen und unkonventioneller Kopfbedeckung. Höhepunkt ist das Theaterfest, das zunächst als Auflauf von Juristen und Theaterkritikern unter gelber Perücke beginnt und in einer gnadenlosen Abrechnung mit den Fernseh-Talentshows und Volksmusiksendungen endet. Daneben detaillierte Charakterisierung der Personen. Cellini ist der heitere Sonnyboy, Teresa die junge Naive, Balducci ist unbeholfen und ungeschickt, sein Helfer Pompeo der brutale italienische Killer und Ascanio der sympathische Aktivist.
Sänger und Orchester
Der Graben tönte unter der musikalischen Leitung Guido Johannes Rumstadts in einer musikalischen Lebenslust, geprägt von französischem Flair und einer leicht frivolen Erotik, die keine Wünsche offen ließ. Das Tempo war italienisch flott, ohne zu überhasten, auch in den innigen Szenen, wie dem stürmisch beklatschten Gebet der von Hrachuhi Bassenz (Theresa) und des Jordanka Milkova (Ascanio). Beide waren auch die überragenden Stars des Abends mit klangschöner Stimme und viel Durchschlagskraft, während Jean-Francis Monvoisin als Cellini sehr schwach blieb und nur als Schwerenöter überzeugen konnte. Die beiden Hauskräfte Rainer Zaun (Balducci) und Guido Jentjens (Papst) zählten wieder zu den Stützen des Ensembles.
Fazit
Völlig zu Recht stürmischer Applaus für eine der gelungensten und unterhaltsamsten Produktionen dieser Spielzeit, die selbst die Produktion in Salzburg in den Schatten stellt. Sie zeigt auch einen erfolgreichen Weg in die Zukunft des Theaters, weg von den befremdlichen Einfällen des Regietheaters. Und wenn es einigen Papstgetreuen nicht gefallen haben sollte – im Karneval ist alles erlaubt!?
Oliver Hohlbach
Bild: Ludwig Olah
Das Bild zeigt: Das Gebet des Ascanio und Theresa vor Madonna auf dem Kaffeeautomat. Im Hintergrund die Kunstsammlung des Cellini.

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