Aachen, Stadttheater – LES CONTES D’HOFFMANN – HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN

von Jacques Offenbach, Phantastische Oper in fünf Akten, Libretto von Jules Barbier
UA: 10. Februar 1881, Paris, Opéra-Comique, Salle Favart
Regie: Corinna von Rad, Bühnenbild: Ralf Käselau, Kostüme: Sabine Blickenstorfer
Dirigent: Daniel Jakobi, Sinfonieorchester und Opernchor Aachen, Choreinstudierung: Frank Flade
Solisten: Yikun Chung (Hoffmann), Mélanie Forgeron (Niklaus, Die Muse), Woong.jo Choi (Lindorf, Coppelius, Dr. Mirakel, Dapertutto), Andreas Joost (Andres, Cochenille, Franz, Pitichinaccio), Michaela Maria Mayer (Olympia), Irina Popova (Antonia), Johanna Stojkovic (Giulietta), Munki Jeong (Nathanael), Remco Vink (Student Wilhelm) Martin Berner (Hermann, Schlemihl), Hans Schaapkens (Spalanziani), Pawel Lawreszuk (Crespel, Luther) Annika van Dyk (Stimme der Mutter)
Besuchte Vorstellung: 25. Mai 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
aachen-hoffmanns-erzahlunge.jpgHoffmann zecht mit seinen Kumpanen. In Gedanken verliebt er sich in eine Frau und erfindet in betrunkenem Zustand drei Erzählungen.
Seine erste Geschichte handelt von einem Automaten, der Olympia heißt und in die er verliebt ist. An dem Abend als Olympia in die Gesellschaft eingeführt wird, zerbricht bei eine Feder des Automaten, so daß sie „stirbt“. Hoffmann merkt, daß er in eine Maschine verliebt war und ist das Gespött der Leute.
Seine zweite erfundene Liebe ist Antonia. Eine Krankheit verhindert, daß sie singt. Doktor Mirakel öffnet ihr die Augen, was sie alles durch ihr Singen gewinnen würde. Sie singt und stirbt sofort.
Als drittes erzählt Hoffmann von der Kurtisane Giulietta. Sie ist Capitano Dapertuttos Lockvogel und soll das Spiegelbild Hoffmanns stehlen. Sie bringt Hoffmann dazu, sich in sie zu verlieben und ihr sein Spiegelbild zu schenken. Dann läßt sie Hoffmann allein zurück.
Hoffmann kehrt zurück in die Wirklichkeit, wo ihn die Muse tröstet.
Vorbemerkung
Jacques Offenbach starb kurze Zeit vor der Uraufführung von Hoffmanns Erzählungen, so daß die Oper unvollendet blieb. Im Laufe der letzten Jahrzehnte tauchten mehrere Quellen auf, die die Oper komplettierten. In Aachen verwendete man die neue Ausgabe des Amerikaners Kaye.
Aufführung
Die Regisseurin Corinna von Rad setzte sich bei der Umsetzung dieser einzigartigen Oper Offenbachs genau die richtigen Ziele. Durch ein sehr stimmiges Zusammenspiel von Bühnenbild, Kostümen, Schauspiel und Musik wurde eines ganz deutlich herausgearbeitet: die Flucht vor der Wirklichkeit und der Halt in einer erfundenen Welt.
Corinna von Rad stellte eine dunkle und bedrückende Atmosphäre auf der Bühne dar: hohe dunkle Wände und eine Balustrade, die wiederum eine kleine Bühne bildete. In dieser trostlosen Umgebung wirkten die Anzüge der Männer in dezenten Beigetönen sehr angepaßt. Einzig die Kleider der drei Herzensdamen Hoffmanns (Olympia, Antonia, Giulietta) brachten Farbe auf die Bühne.
Neben dem melancholischen Unterton, hob Corinna von Rad durch das Schauspiel auch ein paar komische Aspekte hervor.
Sänger
Musikalisch war der Abend ein Erfolg. Hier sollte man unbedingt Yikun Chung erwähnen, der sich als Volltreffer für die Besetzung des Hoffmann herausstellte. Sein metallischer, sehr voluminöser Tenor schmetterte durch den Saal und hinterließ Staunen und Bewunderung. Aber auch schauspielerisch konnte er überzeugen. Er markierte durch Gestik und Mimik, wie gelegentliches Gähnen oder Powackeln einen Hoffmann, der, ziemlich heruntergekommen vom Alkohol, auch mal Anlaß zum Lachen gab. Seine ständige Begleiterin Mélanie Forgeron (Muse) konnte ebenfalls das Beste aus ihrer Rolle herausholen. Ihr warmer und angenehm sanfter Sopran, der auch in der Höhe kein einziges Mal zu schrill wirkte, konnte sich an Yikun Chungs Seite gut behaupten. Sie betonte durch ihr Schauspiel die eifersüchtige Seite der Muse, die Hoffmann ganz für sich alleine haben will. Die Abschlußszene, in der sie Hoffmann innig in den Armen hält, machte dies sehr deutlich.
Michaela Maria Mayer (Olympia) sorgte mit ihrem lyrischen Sopran für stimmliche Abwechslung. Ihre Interpretation des Automaten machte sie auch durch den monotonen und stockenden Gesang deutlich (wie bei einem Roboter) und büßte dabei nichts von ihrer wunderschönen Klangfarbe ein.
Irina Popova (Antonia) konnte mit ihrem sehr klaren und scharfen Sopran im Vergleich zu den anderen Solisten nicht ganz überzeugen. In den hohen Tönen war ihr Vibrato leider etwas zu dominant. Besonders hervorzuheben ist auch noch Woong-jo Choi als Lindorf, Coppelius, Dr. Mirakel, Dapertutto, der mit seinem donnergleichen Bariton hervorragend zu seiner Rolle paßte. Als Rivale Hoffmanns stellte er sich in allen seinen Erzählungen als Bösewicht heraus.
Fazit
Eine Inszenierung, die kaum Anlaß zur Kritik läßt. Der absolute Höhepunkt des Abends war die Stimme Yikun Chungs. Dies wurde durch einen besonders enthusiastischen Applaus auch vom Publikum so aufgenommen. Insgesamt eine musikalische Leistung, die man nur über alle Maßen loben kann.

Melanie Joannidis                                                                                Bild: Will van Iersel
Das Bild zeigt Hoffmann (Yikun Chung) beim Kartenspiel. Pitichinaccio (Andreas
Joost) zielt mit einer Waffe auf ihn.

Veröffentlicht unter Aachen, Stadttheater

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