Genf, Grand Théâtre – LOHENGRIN

Musik und Text von Richard Wagner, Romantische Oper in drei Aufzügen; UA: 28. August 1850, Weimar, Hoftheater
Regie: Daniel Slater, Bühnenbild und Kostüme: Robert Innes Hopkins
Dirigent: Leif Segerstam, Orchestre de la Suisse Romande, Choeur du Grand Theatre, Choeur Orpheus de Sofia
Solisten: Georg Zeppenfeld (König Heinrich), Christopher Ventris (Lohengrin), Soile Isokoski (Elsa), Jukka Rasilainen (Telramund), Petra Lang (Ortrud), Detlef Roth (Heerrufer), Bisser Terziyski, Wolfgang Barta, Phillip Casperd, Nicolas Carre (Brabantische Adlige)
Besuchte Vorstellung: 2. Mai 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
genf-lohengrin.jpgKönig Heinrichs ruft die Brabanter auf zu einem Feldzug. Graf Telramund, von seiner Gattin Ortrud angestachelt, beschuldigt Elsa von Brabant, des Mordes an ihrem Bruder Gottfried. Ein Gottesgericht in Form eines Zweikampfs soll über Elsas Schuld oder Schuldlosigkeit entscheiden: Keiner aber will gegen Telramund antreten. Da erscheint ein Fremder in einem von einem Schwan gezogenen Boot und stellt sich dem Kampf. Er besiegt Telramund. Dieser Fremder will Elsa heiraten unter der Bedingung, daß sie nie nach seinem Namen und seiner Herkunft fragen würde. Elsa willigt ein.
Doch Ortrud gibt nicht auf. Freundschaft und Mitgefühl heuchelnd verunsichert sie Elsas Vertrauen zu ihrem Geliebten. Am Hochzeitstag bezichtigen Ortrud und Telramund vor dem Münster den Fremden der Zauberei und des Betrugs. Doch Elsa vertraut ihrem Bräutigam weiter. Als sie später aber allein sind, bricht Elsa ihr Versprechen und fragt ihren Bräutigam nach seiner Herkunft. Im gleichen Moment dringt Telramund mit seinen Verschwörern in das Brautgemach ein, um Lohengrin zu töten. Im Zweikampf stirbt Telramund. Danach offenbart Lohengrin vor dem König und den Landesvertretern seinen Namen und seine Herkunft. Ortrud triumphiert. Doch durch sein Gebet bewirkt Lohengrin die Rückkehr des totgeglaubten Knaben Gottfried, des rechtmäßigen Thronnachfolgers.
Aufführung
Ein wenig seltsam ist die Ausganglage schon. Man befindet sich im Ostblock zur Zeit des Ungarnaufstandes. Die Brabanter bzw. die Mannen König Heinrichs tragen russische oder Nationale Volksarmee-Uniformen, König Heinrich ist irgendwie ein roter Zar oder hoher Offizier. Lohengrin ist irgendein Mann aus dem Volk, zufällig ausgewählt. Wie er in dieses fragwürdige Spiel paßt, bleibt unklar, mal scheint er wie alle Zivilisten ein Partisan, dann ein bürgerlicher Intellektueller zu sein. Ein wenig allein gelassen von der Personenregie sind auch die übrigen Protagonisten. Die Beziehung zwischen Ortrud und Telramund sowie Elsa und Lohengrin bleiben undurchsichtig. Lediglich der Heerrufer hat einen klaren Auftrag, als er die Verpflichtungserklärungen der Kriegs-Freiwilligen einsammelt. Hilfreich wäre es auch gewesen, wenn man klar erkennen würde, ob das Einheitsbühnenbild – eine fast völlig verwüstete Bibliothek – nur eine Metapher ist oder ob ein geschichtlicher Bezug dafür hergestellt werden könnte. Insgesamt kommt so eine Art Standard-Inszenierung mit Rampentheater mit unpassendem Bühnenbild dabei heraus – ohne irgendetwas verständlich erklären zu können.
Sänger
Das Orchestre de la Suisse Romande stellt an diesem Abend ihr Weltniveau unter Beweis. Unter dem überragenden Dirigat von Leif Segerstam gelingt einer der Abende, die man gemeinhin als Sternstunde bezeichnet: da dämmern Klangwelten der Romantik herauf, die man für vergessen hielt. Die Zeit schien stillzustehen, die Tempi streckenweise sehr gedehnt, die tatsächlichen Aktzeiten bewegten sich jedoch im völlig normalen Rahmen.
Das Traumpaar des Abends ist Jukka Rasilainen als Telramund (er singt die Rolle zum ersten Mal auf der Bühne!) und Petra Lang als Ortrud. Beide verfügen über reichlich stimmliche Mittel, die sie auch für die überzeugende Gestaltung der inneren Gefühle einsetzen. Ebenso eine Bayreuth-würdige-Leistung muß man Georg Zeppenfeld als König Heinrich und Detlef Roth als Heerrufer bescheinigen. Dagegen konnten Soile Isokoski als Elsa (sehr leise und wenig strahlend) und Christopher Ventris als Lohengrin nicht überzeugen. Von dem zukünftigen Parsifal in Bayreuth hat man eigentlich mehr erwartet: mehr Strahlkraft in den Höhen, mehr Durchschlagsvermögen, mehr technische Brillanz in dieser sehr anspruchsvollen Partie. Es ist eben doch ein Unterschied zwischen einem Parsifal-Tenor und einem Lohengrin-Tenor!
Fazit
Musikalisch betrachtet ein erfolgreicher Abend, während die Szenerie rätselhaft bleibt. Vorhang zu und viele Fragen bleiben offen: Starker Applaus für die Sänger, Buh-Rufe für die Regie.

Oliver Hohlbach                                                           Bild: Mario del Curto.
Das Bild zeigt Christopher Ventris als Lohengrin mit dem Chor.

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