THOMAS – Schwetzingen, Schwetzinger SWR Festspiele

Oper von Georg Friedrich Haas (*1953) Libretto: Klaus Händl, UA: 24. Mai 2013, Schwetzinger SWR Festspiele, Rokoko-Theater

Regie: Elisabeth Gabriel, Bühne/Kostüme: Vinzenz Gertler, Video: Heta Multanen, Dramaturgie: Saskia Bladt

Dirigent: Michel Galante,  Ensemble: Catalina Vicens, Olga Zheltikova, Estelle Costanzo, Luisa Marxen, Agnieszka Koprowska-Born, Viviane Chassot, Martin Malaun, Flavio Virzi, Wolfgang Sehringer, Andrés Hernandéz Alba
Solisten: Otto Katzameier (Thomas), Wolfgang Newerla (Matthias), Kai Wessel (Michael), Daniel Gloger (Dr. Dürer), Michael Feyfar (Dominik), Raminta Babickaite (Schwester Agnes), Ruth Weber (Schwester Jasmin), Sarah Wegener (Frau Fink von der Bestattung)

Besuchte Aufführung: 24. Mai 2013 (Premiere, Koproduktion Badisches Staatstheater Karlsruhe)

Kurzinhalt

Matthias liegt im Sterben, nur sein rasselnder Atem ist noch zu hören. Thomas, sein Freund, tritt an sein Krankenbett. Gemeinsam mit dem Pfleger Michael benetzt er den ausgetrockneten Mund des Sterbenden. Als der Atem immer schwerer geht, verläßt Michael das Paar – Matthias stirbt. Sein Tod wird von Dr. Dürer und dessen Gehilfe Dominik bestätigt. Schwester Agnes, Schwester Jasmin und Thomas waschen den Leichnam und bedecken ihn mit einem Tuch. In der Nacht hält Thomas die Totenwache. Er spricht mit seinem Freund, bereut Versäumnisse, gesteht auch, nicht an seine Rettung geglaubt zu haben. Nun begreift auch er: Matthias ist tot. Am Morgen betritt die resolute Frau Fink von der Bestattung das Zimmer. Sie kleidet Matthias an. Bei dem Versuch, Thomas zu trösten, kommt sie ihm zu nahe. Thomas schickt Frau Fink weg. Plötzlich beginnt Matthias zu sprechen. Thomas, der den Tod gerade akzeptiert hatte, weist ihn erschrocken ab. Doch Matthias’ warme Hand überzeugt ihn: Er lebt. Bei Michael bestellen sie eine Suppe und gemeinsam schlürfen sie die köstliche Minestrone.

Aufführung

Die Bühne teilt sich in zwei voneinander getrennte Bereiche. Zunächst blickt das Publikum in ein steriles Krankenzimmer, ganz in weiß getüncht und mit Lamellen-Vorhängen, die sich leicht hin- und her bewegen. Matthias liegt in einem Krankenhausbett und ist über mehrere Kabel mit einem Monitor verbunden, auf dem sein Herzschlag angezeigt wird. Die technisch-kalte Atmosphäre wird noch durch die ganz in helle Grautöne gefärbten Kostüme verstärkt. Mit dem Auftritt der beiden Schwestern wird der Blick auf einen langen Krankenhausgang in der Hinterbühne frei. Eine Glasscheibe trennt Zimmer und Gang. Diese Scheibe wird später noch als Spiegel dienen, in denen das Publikum sich selbst und die opulenten Logen des Schwetzinger Rokoko-Theaters wieder erkennen kann. Auch werden hier immer wieder Videos mit Nahaufnahmen von Matthias oder Vergänglichkeitssymbolen, wie der von Würmern zerfresse Apfel, projiziert. Die einzigen Farbtupfer auf der Bühne sind das im knalligem Rot und Grün gehaltene Kostüm der Frau Fink und die hellgrünen Suppenschüsseln, aus denen Matthias und Thomas am Ende der Oper ihre Suppe schlürfen.

Sänger und Orchester

Der Komponist Georg Friedrich Haas gestaltet nach seiner Oper Bluthaus 2011 nun schon zum zweiten Mal die Opernuraufführung der Schwetzinger SWR Festspiele. Für Thomas setzt er auf bewährtes Personal: Otto Katzameier, Daniel Gloger, Ruth Weber und Sarah Wegener stemmten schon vor zwei Jahren meisterhaft die schwierigen Haas’schen Partien. Auch bei Thomas staunt man, wie exzellent sie die rhythmisch und klanglich extrem fragile Musik gestalten. Allen voran Otto Katzameier. Das Werk ist ganz auf ihn gerichtet, es zeigt, mit welcher Hilflosigkeit und Menschlichkeit der überlebende Liebende der gesamten Sterbemaschinerie entgegensteht. Katzameier versteht es, auch den kürzesten Dialogsplittern eine unglaubliche Wärme und Klangfülle abzugewinnen. Grandios auch Kai Wessel, der als Countertenor schon mal in die Tiefen der Baritonlage herabsteigen muß. Aberwitzige Höhen dagegen erklimmt Daniel Gloger als technokratischer Mediziner. Mit Sarah Wegener kommt Farbe, Erotik und Spannung auf die Bühne. Und sie meistert diesen dramatisch-komödiantischen Anspruch wunderbar. Ebenso konzentriert wirkt das Instrumental-Ensemble unter der Leitung von Michel Galante. Haas setzt ganz auf perkussive Elemente: Schlagwerk, Cembalo, Harfe, Zither, Mandoline, Gitarre und Akkordeon erfüllen den Raum mit einem seltsam nervösen Flirren. Die Instrumente sind jeweils unterschiedlich mikrotonal gestimmt, was einen scharfen und spannungsreichen Klang ergibt. Doch Michel Galante hält das fragile Zusammenspiel von Instrumental- und Sängerensemble perfekt zusammen.

Fazit

Ein äußerst spannender Abend, der besonders von dem hervorragenden Sänger-Ensemble getragen wurde. Ebenso aufschlußreich wie schön anzusehen war die Farb- und Lichtgestaltung der Bühne, die sich ganz der Perspektive Thomas‘ widmete und seine Gefühle zum Ausdruck brachte. Ansonsten beschied sich die Regisseurin Elisabeth Gabriel leider mit der Bebilderung dessen, was Musik und Text sowieso schon sagen. Dennoch – es gab viel Applaus für das gesamte Team, besonders aber für Komponisten und Librettisten.

Jelena Rothermel

Bild: Wolfgang Runkel

Veröffentlicht unter Musikfestivals, Schwetzinger SWR Festspiele