Bachfest Leipzig 2011

Vorbemerkung

Die Kultur-, Musik- und Bachstadt Leipzig lud vom 10. bis 19. Juni 2011 zum diesjährigen Bachfest ein.  Werk- und Künstlerauswahl spiegelten das Motto Nach italienischem Gusto wieder. An 32 Orten in und um Leipzig wurden 110 Veranstaltungen mit 470 Werken realisiert. Der internationale Besucherandrang schlug alle Rekorde. Das Besondere des Bachfestes ist die Authentizität der Aufführungsorte, was auch die Qualität des Programms beeinflußt: Die Künstler spielen offensichtlich gerne an den historischen Wirkungsstätten Bachs. In diesem Jahr wurden ergänzend der 100. Todestag Gustav Mahlers (18. Mai 1911) und der 200. Geburtstag von Franz Liszt (22. Oktober 1811) gewürdigt. Neben thematisch orientierten Konzertreihen, Konzertfahrten, musikalischen Gottesdiensten, Orgelmusik, Jazz sowie Führungen (im März 2010 wiedereröffnet) fand als Höhepunkt in diesem Jahr die Wiederaufführung der in originaler Fassung der seit langem verschollenen Barockoper Zanaida von Johann Christian Bach im Barocktheater von Bad Lauchstädt statt.

Seit der Enthüllung des Bachdenkmals auf dem Thomaskirchhof im Jahre 1908 tritt die Stadt Leipzig als Organisator des Festes zu Ehren Bachs auf. Die Idee dazu wurde durch die Mitglieder der Neuen Bachgesellschaft (1900 gegründet) geboren und durch deren Initiative sowie durch den damaligen Thomaskantor Karl Straube (1873-1950) entscheidend vorangetrieben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Bachgesellschaft ihre Tätigkeit wieder auf. Von 1962 bis 1990, zur Zeit der deutschen Teilung, wurde das Bachfest mit paritätisch besetzten Leitungsgremien aus beiden deutschen Staaten und Ausland durchgeführt. Seit 1999 organisiert das Bach-Archivs Leipzig die jährlichen Bachfeste. Anläßlich des 250. Todestages Johann Sebastian Bachs feierte man im Jahr 2000 das 75. Bachfest in Leipzig.

Leipzig, Thomaskirche

Abschlußkonzert des Bachfestes

Messe in h-Moll, BWV 232

Dirigent: René Jacobs, Akademie für alte Musik Berlin, Balthasar-Neumann-Chor, Choreinstudierung: Detlef Bratschke

Solisten: Anna Prohaska (Sopran), Marie-Claude Chappuis (Mezzosopran), Andreas Scholl (Alt), Magnus Staveland (Tenor), Johannes Weisser (Bariton)

Besuchte Aufführung: 19. Juni 2011

Zur Struktur der h-Moll Messe

Man nennt sie auch „große katholische Messe“ .

Sie besteht aus vier Teilen:

1. Missa (Kyria und Gloria), 2. Symbolum Nicenum (Credo), 3. Sanctus, 4. Osanna (Benedictus, Agnus Dei, Dona nobis pacem). Ihre Entstehungszeit liegt zwischen 1748 und 1749. Sie ist deutlich chordominiert und enthält neun Arien. Nahezu alle Stücke sind keine Neukompositionen Bachs, sondern sogenannte Parodien, das heißt Umarbeitungen bereits vorhandener Sätze.

Orchester und Sänger

Das vielfach ausgezeichnete Orchester zeichnet sich vor allem durch seinen warmen Streicherklang und die immer höchst leichtfüßig bleibenden Bläser aus. René Jacobs nahm sehr rasche Tempi.

Die professionelle Formation junger Solisten des Balthasar-Neumann-Chores erzeugte mit sechsfach besetzten Stimmen einen durchsichtigen Chorklang, in dem die das jeweilige Stück charakterisierenden Motive deutlich in den Vordergrund traten und gut zu identifizieren waren. Mit 24 Sängern erhielt die Messe einen eher kammermusikalischen Charakter. Chor und Orchester gingen höchst flexibel aufeinander ein, so daß sie den Übergang in das jeweils folgende Stück ohne Pause gestalten konnten.

Die beiden monumentalen Eingangschorsätze Kyrie eleison wurden in großen Bögen ganztaktig schwingend gefaßt. Das anschließende Gloria baute sich schnell auf, davon dynamisch deutlich abgesetzt folgte das Et in terra pax. Das mit Chorsolisten und pulsierendem Continuo geführte Incarnatus wurde ebenso wie das Crucifixus im Tempo zurückgenommen. Nachdem es in einem kaum noch hörbaren Pianissimo verklang, schloß sich das Et resurrexit nach nur einem Atemzug in strahlendem Forte an. Hervorzuheben ist auch das in unglaublichem schnellem Tempo gesungene Sanctus und das zweimalige Osanna in excelsis. Die langen Koloraturen schmolzen zu einem großen Vibrieren mit kurz angestoßenen ersten Taktzählzeiten zusammen. Im immer wieder aufsteigenden Motiv, das sich im vierstimmigen Schlußchor Dona nobis pacem von Stimme zu Stimme schwingt, fand die Messe ihr prachtvolles Ende.

Die schwerpunktmäßig als Opernsänger ausgebildeten Solisten musizierten alle auf hohem Niveau. Anna Prohaska sang die Arie Laudamus te sowie die Duette mit Tenor und Alt mit leichter Stimmgebung und perlenden Koloraturen. Andreas Scholls Altstimme bleibt eine Ausnahmeerscheinung, die durch das Fehlen eines Tremolos sowie eine außerordentlich saubere, klare Intonation immer wieder neu beeindrucken kann. Magnus Staveland gab seiner Tenorarie, dem Benedictus, einen innigen Charakter. Johannes Weisser sang die beiden Soli, besonders das gefällige Et in spiritum sanctum, mit ausdrucksstarker Stimme.

Fazit

Die Thomaskirche war bis auf den letzten Platz besetzt und das Publikum klatschte begeistert minutenlang. Wenn die musikalische Umsetzung des Werkes sicherlich geradezu perfekt zu nennen ist, so veränderten die rasanten Tempi – die auf ca. 110 Minuten angesetzte Aufführungsdauer schrumpfte um gut 10 Minuten – den Charakter der Messe. Teilweise klang sie wie eine Barockoper.

Carola Jakubowski

Bild: Bach-Archiv Leipzig, Gert Mothes

Veröffentlicht unter Bachfest Leipzig, Musikfestivals