L’ELISIR D’AMORE – DER LIEBESTRANK – Paris, Opéra Bastille

von Gaëtano Donizetti (1797-1848), Melodramma in zwei Akten, Libretto: Felice Romani nach Eugène Scribes Libretto Le Philtre von Daniel François Esprit Auber, UA: 12. Mai 1832 Mailand, Teatro della Canobbiana

Regie/Kostüme: Laurent Pelly, Bühne: Chantal Thomas, Licht: Joël Adam, Dramaturgie/Mitarbeit der Regie: Agathe Mélinand

Dirigent: Donato Renzetti, Orchester und Chor der Opéra national de Paris, Choreinstudierung: José Luis Basso

Solisten: Aleksandra Kurzak (Adina), Roberto Alagna (Nemorino), Mario Cassi (Belcore), Ambrogio Maestri (Doktor Dulcamara), Mélissa Petit (Gianetta)

Besuchte Aufführung: 2. November 2015 (Premiere)

L ELISIR D AMORE -  L ELIXIR D AMOUR -

L ELISIR D AMORE – L ELIXIR D AMOUR –

Kurzinhalt

Nemorino ist über beide Ohren in die junge, reiche, schöne Gutspächterin Adina verliebt. Dagegen ist Nemorino arm und Erntearbeiter bei Adina. Da ziehen Soldaten mit Musik ins Dorf, geleitet vom attraktiven Offizier Belcore. Dieser verliebt sich sofort in Adina, die tatsächlich sein Werben annimmt. Kurz darauf erscheint mit großem Getöse Doktor Dulcamara. Mit seinem Zaubertrank verspricht er den herbeiströmenden Dorfbewohnern Heilung von all ihren Leiden. Nemorino verspricht sich vom Heiltrank Hilfe für seine Liebesleiden. Doch eine Flasche Heiltrank wirkt nicht. Um Geld für einen zweiten Trank zu erhalten, verdingt er sich als Soldat bei Belcore. Dieser ist hocherfreut, seinen Rivalen damit unter Kontrolle zu bekommen. Die anschließende Wirkung ist umwerfend: alle Erntehelferinnen verlieben sich in Nemorino. Sie haben soeben vom Tod von Nemorinos Onkel erfahren, womit Nemorino ein reiches Erbe in Aussicht hatte. Dieser selbst weiß allerdings noch nichts davon. Nach vielen Liebesschwüren und Abweisungen erreicht Nemorino schließlich doch, daß Adina ihn erhört, so daß beide ein glückliches Paar werden.

Aufführung

Ein riesiger Haufen aus Heuballen – man befindet sich mitten in der Erntezeit – bedeckt die ganze hintere Bühnenhälfte. Auf halber Höhe macht Adina im bunten, weißen, mit roten Blumen verzierten Sommerkleid Pause und liest ein Buch. Männer und Frauen, mit Hose und Röcken als Erntearbeiter erkennbar, defilieren. Plötzlich lacht Adina laut auf. Alle sehen zu ihr hin. Sie erklärt, eine schöne Liebesgeschichte von Tristan und Isolde zu lesen. Alle wollen die Geschichte hören. Sie liest aus dem Buch vor, während der mit Unterhemd und brauner Trägerhose gekleidete Nemorino sich unbemerkt nähert (s. Abb.).

Szenenwechsel: von links nach rechts flitzt ein weißer kleiner Hund quer über die Bühne. Es taucht ein riesiger Lieferwagen auf. Dessen Verdeck wird auf der Seite hochgefahren und Dulcamara, ein Hüne mit weißem Kittel, sowie sein Gehilfe bauen die Flaschen ihrer Wunderdroge auf – unter uns – es ist eine Flasche Bordeaux. Die Landleute strömen herbei und kaufen. So auch Nemorino. Belcore trägt eine blaue Uniform, wie man sie auch in einer französischen Stadt antreffen kann. Da die Handlung an einem Tag abläuft, bleibt Adina in ihrem hübschen Sommerkleid und Nemorino in seiner Arbeitskluft.

Sänger und Orchester

Nach einem etwas zögerlichen Anfang begleitet das Orchester unter Donato Renzetti, die Sänger geschmeidig.

Roberto Alagna (Nemorino) zeigt schon in seiner Auftrittsarie: Quanto è bella – wie schön sie (Adina) ist … seine Mühelosigkeit im Erreichen der Höhenlage. Bei ihm gibt es kein Pressen, kein Schleifen, auffallend der unmerkliche Registerwechsel. Seine Tenorstimme ist nach oben ungemein offen. Bei vielen Tenören erlebt man oft das Gegenteil, Man erlebt seine Sehnsucht zur angebeteten Adina, die ja studiert, liest, lernt. Es gibt nichts, was sie nicht weiß. Selbst hält er sich für einen Tölpel.

Bei ihrer Auftrittsarie Della crudele Isotta il bel Tristano andea – für die grausame Isolde entflammt der schöne Tristan hat Aleksandra Kurzak zu kämpfen. Vielleicht erreicht sie dadurch nicht immer tongerecht die Höhen. Ihre Stimmführung bessert sich nach und nach und ihr Sopran wird in der Höhe strahlend, so daß es ihr ein Leichtes ist, den begleitenden Chor mit Verve zu übertönen. Die Orchesterbegleitung wird im Opernverlauf immer besser und überlagert dann nicht mehr die Sänger.

Mit flotter Marschmusik erscheint Belcore (Mario Cassi) mit schmucker blauer Uniform an der Spitze seiner Soldaten. Er macht der reizenden Adina sofort den Hof und Come Paride vezzoso porse il pomo alla più bella – so wie der schöne Paris einst den Apfel der Schönsten reichte vollendet die Pastoralstimmung. Sein voller Baß nimmt sofort – nicht nur Adina – für ihn ein, und die einschmeichelnden Worte passen durchaus zum Gebaren heutiger Jugendlicher: son galante, e son sargente – ich bin galant, ich bin Sergeant.

Schließlich fährt Doktor Dulcamara mit seinem fahrbaren Liebestrankverkaufswagen vor. Schon allein mit seiner hünenhaften Figur, aber auch mit seinem bis in die Tiefen wohltönenden Baß schlägt ihm die Sympathie des Publikums entgegen.

Nach einer Flasche des Elixir begrüßt Nemorino Adina mit Lalalara, Lalalara, protzt mit seiner Männlichkeit und spielt ihr gegenüber den Gleichgültigen, was ihm auch gelingt: er lacht, läßt sich fallen, torkelt bißchen und baut sich vor der Schönen auf, sieht sie aber kaum an. Verzweifelt blickt Adina zum Himmel, um von dort Hilfe zu bekommen. Riesiger Applaus nach diesem komödiantischen Kabinettstückchen. Ebenso gekonnt gestaltet Laurent Pelly die Szene, bei der Giannetta (Mélissa Petit) inmitten der Dorfmädchen das „Geheimnis“ von Nemorinos Erbschaft verrät, wodurch dieser eine reiche Partie wird. Dabei zitiert Donizetti eine Szene aus dem Aschenputtel. Das harmonische Chorsingen tat das übrige, um diesen Auftritt umwerfend zu gestalten. Der Befall entsprach der Perfektion der Darstellung und wurde nur noch übertroffen nach Alagnas Gesang una furtiva lagrima – eine verstohlene Träne, die ihm auch unüberbietbar gelang.

Fazit

Eine Geschichte gut und spannend zu erzählen bringen heutzutage nur sehr wenigen Regisseuren wie hier Laurent Pelly zustande. Er zeigt, daß es nicht besonders vielen Geldes bedarf, um eine kenntnisreiche, kluge Regiearbeit abzuliefern. Man könnte – betrachtet man auch die gekonnt hingelegten Aktionen der Sänger – eigentlich diese Inszenierung höher bewerten als die Gesangsleistung. Das Publikum empfand ebenso und klatschte frenetisch.

Dr. Olaf Zenner

Bild: Vincent Pontet

Das Bild zeigt: Aleksandra Kurzak (Adina), Roberto Alagna (Nemorino) und Chor

Veröffentlicht unter Aktuelles, Featured, Paris, Opéra Bastille